In regelmäßigen Abständen lesen wir, es fehle an geeigneten Nachfolger*innen in Familienunternehmen. Die Zukunft unserer Volkswirtschaft stehe deshalb auf dem Spiel. Denn es ist Gemeinplatz, dass unsere Wirtschaft maßgeblich von funktionierenden Familienunternehmen abhängt und von diesen stabilisiert wird.
Gründe für die fehlenden Nachfolger*innen werden entweder in der Demographie, der Verfasstheit der jungen Generation oder in den heutigen hohen Kompetenzanforderungen gesucht.
Demographie: Es ist natürlich zweifelsohne so, dass es pro Familie nur noch ein bis zwei Nachkommen gibt. Weil aber häufig trotz aller Gleichberechtigung nach wie vor die alten Muster einer ausschließlich männlichen Unternehmensnachfolge unbewusst, unausgesprochen und unterschwellig gelten, wird die sowieso schon geringe Zahl der potenziell Nachfolgenden nochmal um die Hälfte reduziert. Die Zahl der ernstzunehmenden Nachfolgekandidat*innen kann man also sehr schnell verdoppeln, wenn die Töchter als solche anerkannt werden und sich auch selbst so sehen.
Generation Y: Nicht selten wird der nachfolgenden Generation unterstellt, es fehle ihr an einer ernsthaften Nachfolgebereitschaft. Denn sie sei nicht willens, sich um jeden Preis zu engagieren. Erstens gibt es neuere Studien, die Unternehmerkindern sogar eine sehr hohe Leistungs- und Verantwortungsbereitschaft attestieren. Und zweitens ist ein gut ausbalanciertes Arbeits- und Familienleben, wie es das Ziel der Generation Y ist, wohl für beide Systeme nicht von Nachteil, weil Überlastung und Überarbeitung selten zu gutem Ergebnis führt. Frauen haben hier einen Vorteil, da sie traditionellen Mustern entsprechend schon immer die Balance zwischen Familie und Arbeit halten mussten (sei es früher auf dem Bauernhof, in einem Zunfthandwerksbetrieb oder als Arbeitnehmerin in der modernen Dienstleistungs- und Industriegesellschaft) und dabei von je her Strukturen etablierten, die dies ermöglichten. Gerade weiblichen Unternehmensnachfolgerinnen kann man daher zutrauen, die Bedürfnisse von Individuum, Familie und Unternehmen gut zu balancieren.
Kompetenz: Ein Zögern bei der Entscheidung zur Nachfolge wird nicht selten als Schwäche ausgelegt. Da aber die Anforderungen mittlerweile sehr hoch sind, zeugt der Zweifel wohl eher von Selbstreflexion. Den meist sehr gut ausgebildeten Nachfolger*innen sind nämlich in der Regel die eigenen Grenzen bewusst. Somit sind das Zögern und die bewusste Entscheidung eine Stärke, die davor bewahrt, blind in den Misserfolg zu laufen. Gerade Töchter, die oft auch heute noch zunächst nicht für die Nachfolge vorgesehen sind, entscheiden sich sehr bewusst und wissen dann in der Regel, ob und unter welchen Umständen sie das Unternehmen erfolgreich führen können.
Da es für sie meist keine vorgelebten Muster in der Familientradition gibt, fällt Töchtern die Entscheidung für oder gegen eine Unternehmensnachfolge besonders schwer. Vorliegender Band hilft ihnen dabei.
Die Tools zum Selbstcoaching haben den Vorteil, dass man sie allein und ohne (Familien-) Öffentlichkeit durchführen kann. Sie sprechen nicht selten das Unbewusste, Unterbewusste oder den Bauch an. Dies mag zunächst irritieren, geht es doch um eine offensichtlich rationale und weitreichende Entscheidung für die eigene Person wie für das Unternehmen. Doch wenn diese Entscheidung rein rational durch eine Plus/Minus-Liste zu errechnen wäre, so stellte sie keine solche Herausforderung dar. Deshalb bedarf es anderer Methoden. Methoden, die emotionale Verfasstheiten, individuelle Bedürfnisse, familiäre Prägungen etc. berücksichtigen und damit den Weg frei machen zu einer guten und richtigen Entscheidung.
In diesem Sinne wünsche ich dem Buch viele Leser*innen.
Dr. Rena Haftlmeier-Seiffert