In der Tat "gibt es bislang… noch wenig praxisnahe Forschung" zum Thema Gesellschafterkompetenz, auch wenn die vorliegende Publikation nicht unbedingt wie behauptet "die erste und einzigartige Studie" (S. 5) zu diesem Thema darstellt (vgl. etwa die 25 Aufsätze in: EQUA-Stiftung (Hrsg.), Gesellschafterkompetenz. Die Verantwortung der Eigentümer von Familienunternehmen, Unternehmer Medien: Bonn 2011).
Die von PwC und dem WIFU durchgeführte Untersuchung stellt die Frage nach den formellen und informellen Mechanismen zur Entwicklung von Gesellschafterkompetenz in den Mittelpunkt. Viele interessante Einzeldetails bringt die Studie zum Vorschein; so z.B., dass nach wie vor unter ‚Gesellschafterkompetenz‘ vor allem BWL-Fachwissen verstanden wird (S. 10), dass nur (noch) wenige glauben, dass "mündige Gesellschafter den Widerspruch erhöhen" (S. 17), dass tatsächlich bei mittelgroßen Gesellschafterkreisen (mit 11 – 20 Mitgliedern) die Uneinigkeit am größten ist (S. 21) etc. Trotzdem bleibt die Studie die Antwort auf die Grundfrage schuldig. Sie erklärt nicht, ob und warum Gesellschafterkompetenz wichtig ist bzw. sein soll. Sie behauptet lediglich, dass "Gesellschafterkompetenz… ein zentraler Erfolgsfaktor für die Sprach- und Handlungsfähigkeit der Familie des Familienunternehmens" sei (S. 42) und ignoriert ihr eigenes Ergebnis, wonach nämlich knapp die Hälfte aller Unternehmerfamilien offensichtlich davon ausgeht, dass Gesellschafterkompetenz "nicht nötig" ist (S. 20).
Basis bilden 263 Interviews mit Mitgliedern von Familienunternehmen, die zwar das "Gesamtbild der deutschen Familienunternehmenslandschaft wider[spiegeln]" (S. 43), jedoch wird nicht berücksichtigt, dass sich drei Viertel der Teilnehmer*innen in der Position von geschäftsführenden Gesellschafter*innen befanden/befinden. Eine allgemeingültige Aussage wäre m.E. erst dann möglich, wenn es noch eine Vergleichsstudie gäbe, in der die reinen Gesellschafter*innen oder sogar die Familienmitglieder (noch) ohne Unternehmensanteile befragt würden. Möglicherweise gelangte man dann zu anderen Ergebnissen.
Die Studie endet mit Handlungsempfehlungen. Das ist gut. Das ist in dieser Form als imperativische Checkliste allerdings auch gefährlich. Beispielsweise schließt die empfohlene "genaue Festlegung der Lerninhalte" (S.42) eine flexible oder individuelle Handhabung aus. Viel besser als konkrete starre Festlegungen wäre die Einigung auf einen Rahmen, der dann je nach Bedürfnis gefüllt werden kann und muss. Solche konkreten und starren Handlungsempfehlungen im Imperativ riechen zu sehr nach "Weiterbildungsprogrammen hochschul- und beratungsnaher Institutionen" (S. 42), also nach Existenzrechtfertigung von PwC und WIFU und deren Angebote.
Sehr gut ist hingegen die vorgenommene Differenzierung von Familienunternehmen in ‚reine Familienunternehmen‘, ‚familienkontrollierte Unternehmen‘ und ‚familienbeeinflusste Unternehmen‘. Erstens scheinen die drei Gruppen jeweils ungefähr gleich groß zu sein und daher keine Dominanz die anderen Kategorien als vernachlässigbar zu deklassieren (vgl. S. 48) und zweitens können damit die vorhandenen Unterschiede bei der Unternehmensform Familienunternehmen besser ausdifferenziert werden. Allein diese Klassifizierung macht die Studie zu einem wichtigen Baustein innerhalb der Familienunternehmensforschung.
Die Studie ist leider nicht in einem Verlag und damit für alle Interessierten leicht zugänglich publiziert, sondern etwas versteckt und abseitig im Eigenverlag veröffentlicht. Abgesehen davon ist sie gut aufgemacht und enthält viele anschauliche Graphiken und schnell erfassbare Texte mit am Rand ausgeworfenen Schlagworten.
Dr. Rena Haftlmeier-Seiffert