Block, Joern
Untersuchung zur Kommunikation von Unternehmerischer Sozialverantwortung (CSR) in deutschen Familienunternehmen
Eine quantitative Inhaltsanalyse von Unternehmensleitbildern
Einführung
Viele bisherige Untersuchungen zeigen, dass Familienunternehmen sich von Nicht-Familienunternehmen gerade hinsichtlich ihrer Unternehmerischen Sozialverantwortung unterscheiden. Demnach übernehmen Familienunternehmen mehr Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern und stellen sicherere Jobs zur Verfügung, da sie während ökonomischer Krisen ihre Mitarbeiter weniger häufig entlassen (Bassanini 2013; Block 2010). Außerdem verschmutzen Familienunternehmen laut dieser Studien die Umwelt weniger (Berrone 2010) und beteiligen sich insbesondere an Wohltätigkeitsprojekten in der eigenen Gemeinde (Litz/Stewart 2000). Wenn man zwischen den verschiedenen Aspekten von Unternehmerischer Sozialverantwortung unterscheidet, ist zudem laut dieser Studien zu erkennen, dass Firmen in Familienbesitz seltener eine Unternehmerische Sozialverantwortung gegenüber dem Staat als vielmehr eine Verantwortung bei Chancenungleichheit, gegenüber Mitarbeitern, der Umwelt und bei den von ihnen hergestellten und vertriebenen Produkten übernehmen wollen (Block/Wagner 2014).
Ziel der Studie
Fast alle bisherigen Untersuchungen konzentrieren sich auf die Situation in den USA. Außer einer Untersuchung (Tänzler 2013) gibt es wenig Forschung über die Unternehmerische Sozialverantwortung von deutschen Familienunternehmen.
Um die Unternehmerische Sozialverantwortung (CSR) in deutschen Unternehmen untersuchen zu können, stützt sich die Studie auf publizierte Unternehmensleitbilder. Diese eignen sich besonders gut, weil es sich dabei um veröffentlichte und damit leicht greifbare Dokumente handelt, sie kurze und präzise Informationen über den Umgang mit wirtschaftlichen, sozialen und umweltrelevanten Aspekten liefern und die Wünsche der Beteiligten widerspiegeln (Coombs/Hollanday 2011; European Commission 2011). Dass Unternehmensleitbilder Auskunft über die Unternehmerische Sozialverantwortung geben, macht auch die Global Reporting Initiative (GRI) deutlich. Sie empfiehlt nämlich den Unternehmen als Strategie zur Kommunikation von Unternehmerischer Sozialverantwortung, Unternehmensleitbilder zu erstellen. Nicht zuletzt deshalb sind Unternehmensleitbilder mittlerweile in fast allen CSR-Berichten, Jahresberichten oder Unternehmenswebsites zu finden (GRI 2011).
Zwar darf man den Umstand nicht vernachlässigen, dass Unternehmensleitbilder durchaus auch dazu eingesetzt werden, bei allen Beteiligten und in der Gesellschaft Akzeptanz, Zustimmung und Legitimation für das eigenen unternehmerische Handeln zu erhalten (Mahoney 2012), so sind sie trotzdem eine hinreichend gute Basis, um Aufschluss über die Überzeugungen von Unternehmerischer Sozialverantwortung zu erhalten.
Vier Forschungsfragen bilden den Kern dieser Studie:
1. Nimmt die Kommunikation über Unternehmerische Sozialverantwortung bei Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen in den Unternehmensleitbildern unterschiedlich viel Raum ein?
2. Werden in Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen bei der Kommunikation nach außen andere Aspekte der Unternehmerischen Sozialverantwortung in den Vordergrund gerückt?
3. Gilt die kommunizierte Unternehmerische Sozialverantwortung anderen Interessensgruppen?
4. In welchem Kontext steht die Unternehmerische Sozialverantwortung (laut Kommunikation nach außen)? Welche Motivation ist zu erkennen?
Datenbasis
Frühere Untersuchungen legen nahe, dass börsennotierte Unternehmen am ehesten über ihre Unternehmerische Sozialverantwortung (öffentlich) berichten, weil Aktienbesitzer und Gesellschaft politischen und öffentlichen Druck auf sie ausüben (Hackeston/Milne 1996; Kolk 2003; Owen 2007; Patten 1992). Deshalb bilden 940 Industrie-, Dienstleistungs- und Handelsunternehmen, die im German Prime Standard verzeichnet sind (DAX50, CDAX, MDAX, GDAX, SDAX, TecDAX, DAX plus Family), die Datenbasis für die Studie.
Da aber nicht alle der 940 Unternehmen ihre Unternehmensleitbilder veröffentlich haben, reduziert sich die Datenbasis auf 714 Firmen, davon 438 Familienunternehmen und 276 Nicht-Familienunternehmen.
Forschungsmethode
Die 714 Unternehmensleitbilder wurden einer Inhaltsanalyse unterzogen, indem der vorgefundene, veröffentlichte Text dem Sinn nach verschlagwortet wurde, um damit auch verborgene und nicht konkret benannte, inhärente Informationen zu heben. Dabei wurde eine sog. zielgerichtete Inhaltsanalyse vorgenommen, bei der ein Schlagwortraster Verwendung fand, das auf Basis von früheren Untersuchungen oder Theorien entwickelt wurde (und nicht aus dem Datenmaterial selbst). Das eingesetzte Schlagwortraster enthält Begriffskategorien, die die CSR-Dimensionen nach Dahlsrud (2008) genauso beinhalten wie die von Freeman (1984) benannten wichtigsten Interessensgruppen von Unternehmen. Darüber hinaus wurden drei Schlagwortkategorien entwickelt, um Aussagen über die Motivation für die Unternehmerische Sozialverantwortung erfassen und den Kontext feststellen zu können.
Die Unternehmensleitbilder wurden nach folgenden 14 CSR-Kategorien verschlagwortet:
Vergleich von Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen
Um einen Vergleich vornehmen zu können, muss zunächst geklärt sein, welche Unternehmen Familienunternehmen sind und welche nicht. Das IfM Bonn definiert Familienunternehmen als solche Unternehmen, bei denen die Einheit von Eigentum und Führung gegeben ist, und konkretisiert: mindestens zwei Mitglieder einer Familie müssen mindestens 50% der Anteile einer Firma besitzen und im Führungsgremium des Unternehmens eine Position innehaben (IfM Bonn 2015). Für vorliegende Studie wird diese Definition übernommen und dahingehend erweitert, dass in Familienunternehmen wenigstens ein Familienmitglied entweder in der Geschäftsführung oder im Beirat vertreten sein muss.
Ergebnisse der Analyse 1. Nimmt die Kommunikation über Unternehmerische Sozialverantwortung bei Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen in den Unternehmensleitbildern unterschiedlich viel Raum ein?
Bei Familienunternehmen nehmen die Ausführungen zur Unternehmerischen Sozialverantwortung mehr Raum in den veröffentlichen Unternehmensleitbildern ein als bei Nicht-Familienunternehmen, wenngleich der Unterschied statistisch nicht signifikant ist.
2. Werden in Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen bei der Kommunikation nach außen andere Aspekte der Unternehmerischen Sozialverantwortung in den Vordergrund gerückt?
Familienunternehmen unterscheiden sich kaum von Nicht-Familienunternehmen in ihrer Kommunikation über ihre Unternehmerische Sozialverantwortung. Lediglich hinsichtlich des philanthropischen Engagements sind signifikante Unterschiede festzustellen. 51,4% der Familienunternehmen berichten über philanthropisches Engagement in ihren Unternehmensleitbildern, während nur 37,7% der Nicht-Familienunternehmen dies tun.
3. Gilt die kommunizierte Unternehmerische Sozialverantwortung anderen Interessensgruppen?In Familienunternehmen stehen genauso wie in Nicht-Familienunternehmen vor allem die Mitarbeiter, die Gesellschaft und die Kunden im Mittelpunkt. Nicht-Familienunternehmen richten allerdings ihr Augenmerk signifikant öfter auf ihre Eigentümer (Investoren) und auf den Staat.4. In welchem Kontext steht die Unternehmerische Sozialverantwortung (laut Kommunikation nach außen)? Welche Motivation ist zu erkennen?35,2% der Familienunternehmen sehen die Unternehmerische Sozialverantwortung als Teil ihrer Unternehmenskultur an (zum Vergleich: 25,7% bei Nicht-Familienunternehmen), während bei Nicht-Familienunternehmen die Unternehmerische Sozialverantwortung zu 41,7% unternehmensstrategisch motiviert ist (zum Vergleich: 31,5% bei Familienunternehmen). Bewertung der ErgebnisseAufgrund der anderen Eigentümerstruktur und Ziele der Eigentümer von Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen wäre es naheliegend, große Unterschiede bei der Kommunikation über die Unternehmerische Sozialverantwortung zu erwarten, zumal frühere Untersuchungen starke Unterschiede insbesondere in Bezug auf die Sozialverantwortung gegenüber den Mitarbeitern feststellen (Block 2010; Bassanini 2013; Tänzler 2013).Die Studie zeigt aber ein anderes Bild: Nur in 3 von 14 Aspekten unterscheidet sich die Kommunikation über CSR zwischen Familien- und Nicht-Familienunternehmen.Die starke Übereinstimmung in der Kommunikation der eigenen Unternehmerischen Sozialverantwortung resultiert möglicherweise aus einer bei börsennotierten Unternehmen geforderten und befolgten Professionalität bezüglich Einführung und Umsetzung von CSR-Berichten und der Aufstellung von Unternehmensleitbildern. Und nicht zuletzt weil die meisten Unternehmensleitbilder von Beratern vorbereitet, begleitet oder gar realisiert wurden, gleichen sie sich so stark. Sie beruhen somit letztlich alle auf den gleichen externen Erfahrungen (Hartmann 2007) bzw. spezifischen Richtlinien (z.B. GRI). Die Kommunikation über das eigene Engagement bezüglich der Unternehmerischen Sozialverantwortung ist zudem bei börsennotierten, deutschen Unternehmen, die meist global agieren, stark von weltweiten Standards beeinflusst (Weber/ Marley 2012).Trotzdem konnten einige Unterschiede gefunden werden: Die Unternehmerische Sozialverantwortung steht bei den beiden Unternehmensformen in einem jeweils anderen Kontext und ist auch unterschiedlich motiviert. Sie wird nämlich entweder eher als Teil der Unternehmenskultur bzw. eher als Teil der Unternehmensstrategie verstanden. Außerdem zeigen die Familienunternehmen ein höheres philanthropisches Engagement.Verantwortungsvolles und soziales Handeln zählen häufig zu den wichtigen Überzeugungen von Unternehmerfamilien. Da die Unternehmerfamilien ihre Familienunternehmen aber in der Regel stark prägen (Zellweger 2010), werden diese Familienüberzeugungen auf das Unternehmen übertragen. Eine entsprechende Unternehmenskultur und Firmenidentität ist die Folge. Deshalb wird die empfundene Unternehmerische Sozialverantwortung bei Familienunternehmen als Teil der Unternehmenskultur verstanden und nicht wie bei Nicht-Familienunternehmen als strategisches Element, um im Wettbewerb um Kunden und auf dem Markt mehr Erfolg zu haben.Da die Öffentlichkeit eine direkte Verbindung zwischen Unternehmerfamilie und Familienunternehmen herstellt, ist für die Familie ihre Reputation als Unternehmenseigentümer von besonderer Bedeutung (Block 2010; Deephouse/Jaskiewicz 2013). Ein philanthropisches Engagement der Familienunternehmen hilft den Unternehmerfamilien, sich als verantwortungsvolle Firmenbesitzer in der Öffentlichkeit darzustellen. Eine solche Übertagung vom Unternehmen auf dessen anonyme Anteilseigner findet bei Nicht-Familienunternehmen hingegen nicht statt.Grenzen der StudieDie Börsennotierung stellt bei Familienunternehmen einerseits gerade nicht den Regelfall dar und andererseits könnten die Vorgaben und Richtlinien, die aufgrund der Börsennotierung zu befolgen sind, die veröffentlichen CSR-Berichte zu sehr reglementieren und damit nivellieren. Um ein aussagekräftiges Gesamtbild zu erhalten, sollte die Datenbasis deshalb um nichtbörsennotierte deutsche Familienunternehmen erweitert werden.Die Ergebnisse könnten zudem singulär auf deutsche Familienunternehmen zutreffen. Eine geographische Erweiterung der Datenbasis wäre wünschenswert, um zu überprüfen, inwiefern oder ob die Befunde auch in anderen Ländern mit anderen wirtschaftlichen Voraussetzungen und einer teilweise weniger positiven Beurteilung der Unternehmensform Familienunternehmen zutreffen.Es ist anzunehmen, dass die publizierte Kommunikation über die Unternehmerische Sozialverantwortung und das tatsächliche diesbezügliche Engagement durchaus voneinander abweichen. Eine qualitative Studie könnte hier Klarheit schaffen. Hierzu müssten man Interviews mit den beteiligten Interessensgruppen von Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen (Eigentümer, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Journalisten, die Gemeinde, etc.) durchführen, um so auf qualitativem Wege das tatsächliche Engagement in Bezug auf die Unternehmerische Sozialverantwortung beurteilen zu können.ZusammenfassungDas Thema Unternehmerische Sozialverantwortung (CSR) gewann in den letzten Jahren an Wichtigkeit. Trotzdem wurde bis jetzt die CSR in deutschen Familienunternehmen kaum untersucht. Vorliegende Studie widmet sich deshalb der Kommunikation von Unternehmerischer Sozialverantwortung von 714 börsennotierten deutschen Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen, indem deren Unternehmensleitbilder in Hinblick auf Aussagen über die Unternehmerische Sozialverantwortung untersucht werden.Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass Familienunternehmen einen stärkeren Schwerpunkt auf philanthropisches Engagement legen als Nicht-Familienunternehmen und die Unternehmerische Sozialverantwortung eher als Teil ihrer Unternehmenskultur betrachten, während die Nicht-Familienunternehmen diese mehr als Teil ihrer Unternehmensstrategie beschreiben.Die Studie beruht auf einem von der EQUA-Stiftung geförderten Forschungsprojekt.
Literatur:
Bassanini, A., Breda, T., Caroli, E., Rebérioux, A. (2013). Working in family firms: Paid less but more secure? Evidence from French matched employer-employee data. Industrial and Labor Relations Review, 66(2), 433–466.
Berrone, P., Cruz, C., Gómez-Mejía, L. R., Larraza-Kintana, M. (2010). Socioemotional wealth and corporate responses to institutional pressures: Do family-controlled firms pollute less?. Administrative Science Quarterly, 55, 82–113.
Block, J. (2010). Family management, family ownership, and downsizing: Evidence from S&P 500 firms. Family Business Review, 23(2), 1–22.
Block, J. H., Wagner, M. (2014). The effect of family ownership on different dimensions of corporate social responsibility: Evidence from large U.S. firms. Business Strategy and the Environment, 23(7), 475–492.
Coombs, W. T., Holladay, S. J. (2011). Managing corporate social responsibility: A commu-nication approach. John Wiley & Sons.
Dahlsrud, A. (2008). How corporate social responsibility is defined: An analysis of 37 definitions. Corporate Social Responsibility and Environmental Management, 15(1), 1–13.
Deephouse, D. L., Jaskiewicz, P. (2013). Do family firms have better reputations than non‐family firms? An integration of socioemotional wealth and social identity theories. Journal of Management Studies, 50(3), 337–360.
European Commission (2011). Communication form the Commission to the European Parlia-ment, the Council, the European Economic and Social Committee and the Com-mittee of the Regions, A Renewed EU strategy 2011-14 for Corporate Social Responsibility, European Commission, Brussels.
Freeman, R.E., (1984). Strategic management – A stakeholder approach, Pitman Publishing, Boston.
Hackston, D., Milne, M. J. (1996). Some determinants of social and environmental disclo-sures in New Zealand companies. Accounting, Auditing and Accountability Journal, 9(1), 77–108.
Hartman, L. P., Rubin, R. S., Dhanda, K. K. (2007). The communication of corporate social responsibility: United States and European Union multinational corporations. Journal of Business Ethics, 74(4), 373–389.
Institute for Research into Medium-Sized Businesses (IfM Bonn). (2015). Definitions – Family enterprises as defined by IfM Bonn. Retreived from: http://en.ifm-bonn.org/definitions/family-enterprises-as-defined-by-ifm-bonn/, 05.08.2015.
Kolk, A. (2003). Trends in sustainability reporting by the Fortune Global 250. Business Strategy and the Environment, 12(5), 279–291.
Litz, R., Stewart, A. (2000). Charity begins at home: Family firms and patterns of community involvement. Nonprofit and Voluntary Sector Quarterly, 29(1), 131–148.
Mahoney, L. S., Thorne, L., Cecil, L., LaGore, W. (2012). A research note on standalone corporate social responsibility reports: Signaling or greenwashing?. Critical Perspectives on Accounting, 24(4), 350–359.
Owen, D. (2007). Chronicles of wasted time? A personal reflection on the current state of, and future prospects for, social and environmental accounting research. Accounting, Auditing and Accountability Journal, 21(2), 240–267.
Patten, D. M. (1992). Intra-industry environmental disclosures in response to the Alaskan oil spill: A note on legitimacy theory. Accounting, Organisations and Society, 17(5), 471–475.
Tänzler, J. K. (2013). Corporate Governance und Corporate Social Responsibility im deutschen Mittelstand. Dissertation Universität Mannheim.
Weber, J., Marley, K. (2012). In search of stakeholder salience: Exploring corporate social and sustainability reports. Business and Society, 51(4), 626–649.
Zellweger, T. M., Eddleston, K. A., Kellermanns, F. W. (2010). Exploring the concept of familiness: Introducing family firm identity. Journal of Family Business Strategy, 1(1), 54–63
———–
(1) Universität Trier
(2 + 3) Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
(4) Universität Kassel
(5) Dieenglische Originalversion ist in der Zeitschrift UmweltWirtschaftsForum erschienen und unter folgenden URLs einsehbar:
http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00550-015-0366-3 bzw. http://ssrn.com/abstract=2679563
Einführung
Viele bisherige Untersuchungen zeigen, dass Familienunternehmen sich von Nicht-Familienunternehmen gerade hinsichtlich ihrer Unternehmerischen Sozialverantwortung unterscheiden. Demnach übernehmen Familienunternehmen mehr Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern und stellen sicherere Jobs zur Verfügung, da sie während ökonomischer Krisen ihre Mitarbeiter weniger häufig entlassen (Bassanini 2013; Block 2010). Außerdem verschmutzen Familienunternehmen laut dieser Studien die Umwelt weniger (Berrone 2010) und beteiligen sich insbesondere an Wohltätigkeitsprojekten in der eigenen Gemeinde (Litz/Stewart 2000). Wenn man zwischen den verschiedenen Aspekten von Unternehmerischer Sozialverantwortung unterscheidet, ist zudem laut dieser Studien zu erkennen, dass Firmen in Familienbesitz seltener eine Unternehmerische Sozialverantwortung gegenüber dem Staat als vielmehr eine Verantwortung bei Chancenungleichheit, gegenüber Mitarbeitern, der Umwelt und bei den von ihnen hergestellten und vertriebenen Produkten übernehmen wollen (Block/Wagner 2014).
Ziel der Studie
Fast alle bisherigen Untersuchungen konzentrieren sich auf die Situation in den USA. Außer einer Untersuchung (Tänzler 2013) gibt es wenig Forschung über die Unternehmerische Sozialverantwortung von deutschen Familienunternehmen.
Um die Unternehmerische Sozialverantwortung (CSR) in deutschen Unternehmen untersuchen zu können, stützt sich die Studie auf publizierte Unternehmensleitbilder. Diese eignen sich besonders gut, weil es sich dabei um veröffentlichte und damit leicht greifbare Dokumente handelt, sie kurze und präzise Informationen über den Umgang mit wirtschaftlichen, sozialen und umweltrelevanten Aspekten liefern und die Wünsche der Beteiligten widerspiegeln (Coombs/Hollanday 2011; European Commission 2011). Dass Unternehmensleitbilder Auskunft über die Unternehmerische Sozialverantwortung geben, macht auch die Global Reporting Initiative (GRI) deutlich. Sie empfiehlt nämlich den Unternehmen als Strategie zur Kommunikation von Unternehmerischer Sozialverantwortung, Unternehmensleitbilder zu erstellen. Nicht zuletzt deshalb sind Unternehmensleitbilder mittlerweile in fast allen CSR-Berichten, Jahresberichten oder Unternehmenswebsites zu finden (GRI 2011).
Zwar darf man den Umstand nicht vernachlässigen, dass Unternehmensleitbilder durchaus auch dazu eingesetzt werden, bei allen Beteiligten und in der Gesellschaft Akzeptanz, Zustimmung und Legitimation für das eigenen unternehmerische Handeln zu erhalten (Mahoney 2012), so sind sie trotzdem eine hinreichend gute Basis, um Aufschluss über die Überzeugungen von Unternehmerischer Sozialverantwortung zu erhalten.
Vier Forschungsfragen bilden den Kern dieser Studie:
1. Nimmt die Kommunikation über Unternehmerische Sozialverantwortung bei Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen in den Unternehmensleitbildern unterschiedlich viel Raum ein?
2. Werden in Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen bei der Kommunikation nach außen andere Aspekte der Unternehmerischen Sozialverantwortung in den Vordergrund gerückt?
3. Gilt die kommunizierte Unternehmerische Sozialverantwortung anderen Interessensgruppen?
4. In welchem Kontext steht die Unternehmerische Sozialverantwortung (laut Kommunikation nach außen)? Welche Motivation ist zu erkennen?
Datenbasis
Frühere Untersuchungen legen nahe, dass börsennotierte Unternehmen am ehesten über ihre Unternehmerische Sozialverantwortung (öffentlich) berichten, weil Aktienbesitzer und Gesellschaft politischen und öffentlichen Druck auf sie ausüben (Hackeston/Milne 1996; Kolk 2003; Owen 2007; Patten 1992). Deshalb bilden 940 Industrie-, Dienstleistungs- und Handelsunternehmen, die im German Prime Standard verzeichnet sind (DAX50, CDAX, MDAX, GDAX, SDAX, TecDAX, DAX plus Family), die Datenbasis für die Studie.
Da aber nicht alle der 940 Unternehmen ihre Unternehmensleitbilder veröffentlich haben, reduziert sich die Datenbasis auf 714 Firmen, davon 438 Familienunternehmen und 276 Nicht-Familienunternehmen.
Forschungsmethode
Die 714 Unternehmensleitbilder wurden einer Inhaltsanalyse unterzogen, indem der vorgefundene, veröffentlichte Text dem Sinn nach verschlagwortet wurde, um damit auch verborgene und nicht konkret benannte, inhärente Informationen zu heben. Dabei wurde eine sog. zielgerichtete Inhaltsanalyse vorgenommen, bei der ein Schlagwortraster Verwendung fand, das auf Basis von früheren Untersuchungen oder Theorien entwickelt wurde (und nicht aus dem Datenmaterial selbst). Das eingesetzte Schlagwortraster enthält Begriffskategorien, die die CSR-Dimensionen nach Dahlsrud (2008) genauso beinhalten wie die von Freeman (1984) benannten wichtigsten Interessensgruppen von Unternehmen. Darüber hinaus wurden drei Schlagwortkategorien entwickelt, um Aussagen über die Motivation für die Unternehmerische Sozialverantwortung erfassen und den Kontext feststellen zu können.
Die Unternehmensleitbilder wurden nach folgenden 14 CSR-Kategorien verschlagwortet:
Vergleich von Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen
Um einen Vergleich vornehmen zu können, muss zunächst geklärt sein, welche Unternehmen Familienunternehmen sind und welche nicht. Das IfM Bonn definiert Familienunternehmen als solche Unternehmen, bei denen die Einheit von Eigentum und Führung gegeben ist, und konkretisiert: mindestens zwei Mitglieder einer Familie müssen mindestens 50% der Anteile einer Firma besitzen und im Führungsgremium des Unternehmens eine Position innehaben (IfM Bonn 2015). Für vorliegende Studie wird diese Definition übernommen und dahingehend erweitert, dass in Familienunternehmen wenigstens ein Familienmitglied entweder in der Geschäftsführung oder im Beirat vertreten sein muss.
Ergebnisse der Analyse 1. Nimmt die Kommunikation über Unternehmerische Sozialverantwortung bei Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen in den Unternehmensleitbildern unterschiedlich viel Raum ein?
Bei Familienunternehmen nehmen die Ausführungen zur Unternehmerischen Sozialverantwortung mehr Raum in den veröffentlichen Unternehmensleitbildern ein als bei Nicht-Familienunternehmen, wenngleich der Unterschied statistisch nicht signifikant ist.
2. Werden in Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen bei der Kommunikation nach außen andere Aspekte der Unternehmerischen Sozialverantwortung in den Vordergrund gerückt?
Familienunternehmen unterscheiden sich kaum von Nicht-Familienunternehmen in ihrer Kommunikation über ihre Unternehmerische Sozialverantwortung. Lediglich hinsichtlich des philanthropischen Engagements sind signifikante Unterschiede festzustellen. 51,4% der Familienunternehmen berichten über philanthropisches Engagement in ihren Unternehmensleitbildern, während nur 37,7% der Nicht-Familienunternehmen dies tun.
3. Gilt die kommunizierte Unternehmerische Sozialverantwortung anderen Interessensgruppen?In Familienunternehmen stehen genauso wie in Nicht-Familienunternehmen vor allem die Mitarbeiter, die Gesellschaft und die Kunden im Mittelpunkt. Nicht-Familienunternehmen richten allerdings ihr Augenmerk signifikant öfter auf ihre Eigentümer (Investoren) und auf den Staat.4. In welchem Kontext steht die Unternehmerische Sozialverantwortung (laut Kommunikation nach außen)? Welche Motivation ist zu erkennen?35,2% der Familienunternehmen sehen die Unternehmerische Sozialverantwortung als Teil ihrer Unternehmenskultur an (zum Vergleich: 25,7% bei Nicht-Familienunternehmen), während bei Nicht-Familienunternehmen die Unternehmerische Sozialverantwortung zu 41,7% unternehmensstrategisch motiviert ist (zum Vergleich: 31,5% bei Familienunternehmen). Bewertung der ErgebnisseAufgrund der anderen Eigentümerstruktur und Ziele der Eigentümer von Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen wäre es naheliegend, große Unterschiede bei der Kommunikation über die Unternehmerische Sozialverantwortung zu erwarten, zumal frühere Untersuchungen starke Unterschiede insbesondere in Bezug auf die Sozialverantwortung gegenüber den Mitarbeitern feststellen (Block 2010; Bassanini 2013; Tänzler 2013).Die Studie zeigt aber ein anderes Bild: Nur in 3 von 14 Aspekten unterscheidet sich die Kommunikation über CSR zwischen Familien- und Nicht-Familienunternehmen.Die starke Übereinstimmung in der Kommunikation der eigenen Unternehmerischen Sozialverantwortung resultiert möglicherweise aus einer bei börsennotierten Unternehmen geforderten und befolgten Professionalität bezüglich Einführung und Umsetzung von CSR-Berichten und der Aufstellung von Unternehmensleitbildern. Und nicht zuletzt weil die meisten Unternehmensleitbilder von Beratern vorbereitet, begleitet oder gar realisiert wurden, gleichen sie sich so stark. Sie beruhen somit letztlich alle auf den gleichen externen Erfahrungen (Hartmann 2007) bzw. spezifischen Richtlinien (z.B. GRI). Die Kommunikation über das eigene Engagement bezüglich der Unternehmerischen Sozialverantwortung ist zudem bei börsennotierten, deutschen Unternehmen, die meist global agieren, stark von weltweiten Standards beeinflusst (Weber/ Marley 2012).Trotzdem konnten einige Unterschiede gefunden werden: Die Unternehmerische Sozialverantwortung steht bei den beiden Unternehmensformen in einem jeweils anderen Kontext und ist auch unterschiedlich motiviert. Sie wird nämlich entweder eher als Teil der Unternehmenskultur bzw. eher als Teil der Unternehmensstrategie verstanden. Außerdem zeigen die Familienunternehmen ein höheres philanthropisches Engagement.Verantwortungsvolles und soziales Handeln zählen häufig zu den wichtigen Überzeugungen von Unternehmerfamilien. Da die Unternehmerfamilien ihre Familienunternehmen aber in der Regel stark prägen (Zellweger 2010), werden diese Familienüberzeugungen auf das Unternehmen übertragen. Eine entsprechende Unternehmenskultur und Firmenidentität ist die Folge. Deshalb wird die empfundene Unternehmerische Sozialverantwortung bei Familienunternehmen als Teil der Unternehmenskultur verstanden und nicht wie bei Nicht-Familienunternehmen als strategisches Element, um im Wettbewerb um Kunden und auf dem Markt mehr Erfolg zu haben.Da die Öffentlichkeit eine direkte Verbindung zwischen Unternehmerfamilie und Familienunternehmen herstellt, ist für die Familie ihre Reputation als Unternehmenseigentümer von besonderer Bedeutung (Block 2010; Deephouse/Jaskiewicz 2013). Ein philanthropisches Engagement der Familienunternehmen hilft den Unternehmerfamilien, sich als verantwortungsvolle Firmenbesitzer in der Öffentlichkeit darzustellen. Eine solche Übertagung vom Unternehmen auf dessen anonyme Anteilseigner findet bei Nicht-Familienunternehmen hingegen nicht statt.Grenzen der StudieDie Börsennotierung stellt bei Familienunternehmen einerseits gerade nicht den Regelfall dar und andererseits könnten die Vorgaben und Richtlinien, die aufgrund der Börsennotierung zu befolgen sind, die veröffentlichen CSR-Berichte zu sehr reglementieren und damit nivellieren. Um ein aussagekräftiges Gesamtbild zu erhalten, sollte die Datenbasis deshalb um nichtbörsennotierte deutsche Familienunternehmen erweitert werden.Die Ergebnisse könnten zudem singulär auf deutsche Familienunternehmen zutreffen. Eine geographische Erweiterung der Datenbasis wäre wünschenswert, um zu überprüfen, inwiefern oder ob die Befunde auch in anderen Ländern mit anderen wirtschaftlichen Voraussetzungen und einer teilweise weniger positiven Beurteilung der Unternehmensform Familienunternehmen zutreffen.Es ist anzunehmen, dass die publizierte Kommunikation über die Unternehmerische Sozialverantwortung und das tatsächliche diesbezügliche Engagement durchaus voneinander abweichen. Eine qualitative Studie könnte hier Klarheit schaffen. Hierzu müssten man Interviews mit den beteiligten Interessensgruppen von Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen (Eigentümer, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Journalisten, die Gemeinde, etc.) durchführen, um so auf qualitativem Wege das tatsächliche Engagement in Bezug auf die Unternehmerische Sozialverantwortung beurteilen zu können.ZusammenfassungDas Thema Unternehmerische Sozialverantwortung (CSR) gewann in den letzten Jahren an Wichtigkeit. Trotzdem wurde bis jetzt die CSR in deutschen Familienunternehmen kaum untersucht. Vorliegende Studie widmet sich deshalb der Kommunikation von Unternehmerischer Sozialverantwortung von 714 börsennotierten deutschen Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen, indem deren Unternehmensleitbilder in Hinblick auf Aussagen über die Unternehmerische Sozialverantwortung untersucht werden.Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass Familienunternehmen einen stärkeren Schwerpunkt auf philanthropisches Engagement legen als Nicht-Familienunternehmen und die Unternehmerische Sozialverantwortung eher als Teil ihrer Unternehmenskultur betrachten, während die Nicht-Familienunternehmen diese mehr als Teil ihrer Unternehmensstrategie beschreiben.Die Studie beruht auf einem von der EQUA-Stiftung geförderten Forschungsprojekt.
Literatur:
Bassanini, A., Breda, T., Caroli, E., Rebérioux, A. (2013). Working in family firms: Paid less but more secure? Evidence from French matched employer-employee data. Industrial and Labor Relations Review, 66(2), 433–466.
Berrone, P., Cruz, C., Gómez-Mejía, L. R., Larraza-Kintana, M. (2010). Socioemotional wealth and corporate responses to institutional pressures: Do family-controlled firms pollute less?. Administrative Science Quarterly, 55, 82–113.
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Coombs, W. T., Holladay, S. J. (2011). Managing corporate social responsibility: A commu-nication approach. John Wiley & Sons.
Dahlsrud, A. (2008). How corporate social responsibility is defined: An analysis of 37 definitions. Corporate Social Responsibility and Environmental Management, 15(1), 1–13.
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Freeman, R.E., (1984). Strategic management – A stakeholder approach, Pitman Publishing, Boston.
Hackston, D., Milne, M. J. (1996). Some determinants of social and environmental disclo-sures in New Zealand companies. Accounting, Auditing and Accountability Journal, 9(1), 77–108.
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Kolk, A. (2003). Trends in sustainability reporting by the Fortune Global 250. Business Strategy and the Environment, 12(5), 279–291.
Litz, R., Stewart, A. (2000). Charity begins at home: Family firms and patterns of community involvement. Nonprofit and Voluntary Sector Quarterly, 29(1), 131–148.
Mahoney, L. S., Thorne, L., Cecil, L., LaGore, W. (2012). A research note on standalone corporate social responsibility reports: Signaling or greenwashing?. Critical Perspectives on Accounting, 24(4), 350–359.
Owen, D. (2007). Chronicles of wasted time? A personal reflection on the current state of, and future prospects for, social and environmental accounting research. Accounting, Auditing and Accountability Journal, 21(2), 240–267.
Patten, D. M. (1992). Intra-industry environmental disclosures in response to the Alaskan oil spill: A note on legitimacy theory. Accounting, Organisations and Society, 17(5), 471–475.
Tänzler, J. K. (2013). Corporate Governance und Corporate Social Responsibility im deutschen Mittelstand. Dissertation Universität Mannheim.
Weber, J., Marley, K. (2012). In search of stakeholder salience: Exploring corporate social and sustainability reports. Business and Society, 51(4), 626–649.
Zellweger, T. M., Eddleston, K. A., Kellermanns, F. W. (2010). Exploring the concept of familiness: Introducing family firm identity. Journal of Family Business Strategy, 1(1), 54–63
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(1) Universität Trier
(2 + 3) Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
(4) Universität Kassel
(5) Dieenglische Originalversion ist in der Zeitschrift UmweltWirtschaftsForum erschienen und unter folgenden URLs einsehbar:
http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00550-015-0366-3 bzw. http://ssrn.com/abstract=2679563