Haftlmeier-Seiffert, Rena
Kunst der Integration. Fremdmanager oder Führungskraft in Familienunternehmen
Schon allein der allseits verwendete Begriff ‚Fremdmanager‘ ist verräterisch. Impliziert er doch Distanz. Der angestellte Manager wird von der Unternehmerfamilie als fremd empfunden, als nicht dazu gehörig, als fremdartig, kurz: als Fremdkörper.
Doch auch die umgekehrte Perspektive ist aufschlussreich:
Erst neulich erzählte mir ein junger Manager, der sein Betriebswirtschaftsstudium mit Bestnote abgeschlossen hatte, dass er höchst irritiert gewesen sei, nachdem er seine erste Stelle in einem großen Familienunternehmen angetreten hatte. Nichts funktionierte. Egal, was er tat oder initiierte, stieß auf BeFREMDen. Und so glaubte er sich bald in einem äußerst suspekten oder wenigstens exotischen Umfeld. Folgerichtig entschied er sich im Einvernehmen mit seinem Arbeitgeber zur Trennung und versuchte es in einem nächsten Unternehmen. Wieder eine spannende Branche mit großen Zuwächsen und märchenhaften Gewinnmöglichkeiten. Wieder ein Familienunternehmen. Doch schon nach kurzem gab es erneut BeFREMDen auf allen Seiten.
Sollte der junge und engagierte Manager an sich und seinen Fähigkeiten zweifeln (was ihm durchaus signalisiert wurde)? Waren alle Unternehmen verrückt oder tickten nicht richtig (was der junge Manager teilweise kopfschüttelnd annahm)? Oder sind die gesamten Wirtschaftswissenschaften und die dort gelehrte Betriebswirtschaftslehre völliger Schwachsinn, der an der Realität vorbeigeht?
Keine dieser Annahmen und dieser indirekten Vorwürfe ist richtig. Denn sowohl der junge Managernachwuchs ist in der Regel ziemlich fähig. Auch die Familienunternehmen sind oft äußerst rentabel und alles andere als unwirtschaftlich oder gar realitätsfern. Und auch die internationalen Wirtschaftswissenschaften bilden hervorragende Betriebswirte aus.
Trotzdem funktionierte die Zusammenarbeit nicht. Denn es trafen zwei unterschiedliche Systeme mit unterschiedlichen Grundvoraussetzungen aufeinander. Der junge Betriebswirt war hervorragend vorbereitet auf eine Position in einem Unternehmen im anonymen Streubesitz (Publikumsgesellschaft) aber nicht auf eine Stellung in einem Familienunternehmen.
Zur Illustration:
Der junge Betriebswirt arbeitete bestens fundierte und durchgerechnete Vorschläge zur Gewinnmaximierung aus. Diese wurden jedoch rundheraus abgelehnt, mit dem Hinweis, das Unternehmen wollte primär (im Sinne eines ehrbaren Kaufmanns) die Zufriedenheit der Mitarbeiter und Kontinuität bei der Belieferung der Kunden mit bester Qualität auf lange Zeit. Er war völlig ratlos. Unterstellte man ihm etwa betrügerisches Handeln? Dabei schlug er doch nur eine Standortverlagerung (nicht einmal ins Ausland!) vor, um bessere Betriebsabläufe zu generieren und eine geringere Fertigungstiefe, da man viele Komponenten als Lohnarbeit billiger herstellen lassen konnte. Was ihn jedoch anfänglich richtig erboste, war die Tatsache, dass die Letztentscheidung nicht beim operativen Management lag und auch die Kommunikation darüber nicht über offizielle Meetings und vorbereitete Präsentationen mit für alle nachvollziehbaren Unterlagen mit erläuternden Graphiken und Fakten-Tabellen lief. Er hatte bis dahin gedacht, dass ein Management Sachentscheidungen zu treffen hat, denen fundiert ausgearbeitete Projektskizzen zugrunde liegen. Hier galten jedoch seine anberaumten Sitzungen als Zeitverschwendung, denn die Kommunikation hatte schon auf dem Gang oder beim informellen Mittagessen stattgefunden, die wunderbar anschaulichen Präsentationen mit Fakten, Tabellen und Graphiken wurden nur mit dem feuchten Finger durchgeblättert und als nice-to-have abgetan. Aber am allerirritierendsten war es für ihn festzustellen, dass die Gewinnmaximierung nicht als oberstes Ziel galt sondern als Ergebnis, wenn man alles oder viel lange richtig macht. Wenn Gewinne durch Zukauf im Ausland und damit indirekten Abbau von Arbeitsplätzen sowie durch zumindest anfänglich ungesicherte Qualität der Produkte, wenn ein neuer Standort mit besseren Abläufen nur durch Ansehensverlust in der Region und durch ungesicherte Versorgung der Kunden in der Übergangszeit zu erkaufen waren, dann wurden diese Überlegungen über die rechnerischen Gewinne gestellt. Zwei Welten prallten aufeinander. Der junge international ausgebildete Betriebswirt und das große und alte Familienunternehmen in der Region waren sich grundlegend fremd.
Der angestellte Manager in Familienunternehmen benötigt Zusatzqualifikationen, die über das rein wirtschaftswissenschaftliche Wissen hinausgehen. Er muss sich auf die gelebten Werte und Ziele des Familienunternehmens und der Unternehmerfamilie einlassen, kongruente Ziele verfolgen und diese nicht nur intellektuell verstehen, sondern auch als Person vertreten und leben. Er sollte bei allen Regelabläufen bereit sein, informelle Strukturen auch als solche anzuerkennen (auch das sind Strukturen!) und dieses richtig einsetzen. Und er muss viel Zeit und Energie darauf verwenden, die Balance zwischen Unternehmen und Eigentümerfamilie ausgewogen zu halten und nicht nur die (vermeidlich wichtigeren) Interessen des Unternehmens in den Mittelpunkt stellen. Nur dann wird der externe Manager zum Mitglied eines Familienunternehmens. Und dann werden seine Vorschläge großes Gewicht haben und seine Position mit (zum Teil informeller) Macht ausgestattet sein. Er wird das Familienunternehmen nicht als exotische Organisation außerhalb aller Wirklichkeit erleben, sondern dieses als zutiefst in der (lokalen) Realität verankert finden. Fremd wird vertraut, Irritation wird Erfolg.
Schon allein der allseits verwendete Begriff ‚Fremdmanager‘ ist verräterisch. Impliziert er doch Distanz. Der angestellte Manager wird von der Unternehmerfamilie als fremd empfunden, als nicht dazu gehörig, als fremdartig, kurz: als Fremdkörper.
Doch auch die umgekehrte Perspektive ist aufschlussreich:
Erst neulich erzählte mir ein junger Manager, der sein Betriebswirtschaftsstudium mit Bestnote abgeschlossen hatte, dass er höchst irritiert gewesen sei, nachdem er seine erste Stelle in einem großen Familienunternehmen angetreten hatte. Nichts funktionierte. Egal, was er tat oder initiierte, stieß auf BeFREMDen. Und so glaubte er sich bald in einem äußerst suspekten oder wenigstens exotischen Umfeld. Folgerichtig entschied er sich im Einvernehmen mit seinem Arbeitgeber zur Trennung und versuchte es in einem nächsten Unternehmen. Wieder eine spannende Branche mit großen Zuwächsen und märchenhaften Gewinnmöglichkeiten. Wieder ein Familienunternehmen. Doch schon nach kurzem gab es erneut BeFREMDen auf allen Seiten.
Sollte der junge und engagierte Manager an sich und seinen Fähigkeiten zweifeln (was ihm durchaus signalisiert wurde)? Waren alle Unternehmen verrückt oder tickten nicht richtig (was der junge Manager teilweise kopfschüttelnd annahm)? Oder sind die gesamten Wirtschaftswissenschaften und die dort gelehrte Betriebswirtschaftslehre völliger Schwachsinn, der an der Realität vorbeigeht?
Keine dieser Annahmen und dieser indirekten Vorwürfe ist richtig. Denn sowohl der junge Managernachwuchs ist in der Regel ziemlich fähig. Auch die Familienunternehmen sind oft äußerst rentabel und alles andere als unwirtschaftlich oder gar realitätsfern. Und auch die internationalen Wirtschaftswissenschaften bilden hervorragende Betriebswirte aus.
Trotzdem funktionierte die Zusammenarbeit nicht. Denn es trafen zwei unterschiedliche Systeme mit unterschiedlichen Grundvoraussetzungen aufeinander. Der junge Betriebswirt war hervorragend vorbereitet auf eine Position in einem Unternehmen im anonymen Streubesitz (Publikumsgesellschaft) aber nicht auf eine Stellung in einem Familienunternehmen.
Zur Illustration:
Der junge Betriebswirt arbeitete bestens fundierte und durchgerechnete Vorschläge zur Gewinnmaximierung aus. Diese wurden jedoch rundheraus abgelehnt, mit dem Hinweis, das Unternehmen wollte primär (im Sinne eines ehrbaren Kaufmanns) die Zufriedenheit der Mitarbeiter und Kontinuität bei der Belieferung der Kunden mit bester Qualität auf lange Zeit. Er war völlig ratlos. Unterstellte man ihm etwa betrügerisches Handeln? Dabei schlug er doch nur eine Standortverlagerung (nicht einmal ins Ausland!) vor, um bessere Betriebsabläufe zu generieren und eine geringere Fertigungstiefe, da man viele Komponenten als Lohnarbeit billiger herstellen lassen konnte. Was ihn jedoch anfänglich richtig erboste, war die Tatsache, dass die Letztentscheidung nicht beim operativen Management lag und auch die Kommunikation darüber nicht über offizielle Meetings und vorbereitete Präsentationen mit für alle nachvollziehbaren Unterlagen mit erläuternden Graphiken und Fakten-Tabellen lief. Er hatte bis dahin gedacht, dass ein Management Sachentscheidungen zu treffen hat, denen fundiert ausgearbeitete Projektskizzen zugrunde liegen. Hier galten jedoch seine anberaumten Sitzungen als Zeitverschwendung, denn die Kommunikation hatte schon auf dem Gang oder beim informellen Mittagessen stattgefunden, die wunderbar anschaulichen Präsentationen mit Fakten, Tabellen und Graphiken wurden nur mit dem feuchten Finger durchgeblättert und als nice-to-have abgetan. Aber am allerirritierendsten war es für ihn festzustellen, dass die Gewinnmaximierung nicht als oberstes Ziel galt sondern als Ergebnis, wenn man alles oder viel lange richtig macht. Wenn Gewinne durch Zukauf im Ausland und damit indirekten Abbau von Arbeitsplätzen sowie durch zumindest anfänglich ungesicherte Qualität der Produkte, wenn ein neuer Standort mit besseren Abläufen nur durch Ansehensverlust in der Region und durch ungesicherte Versorgung der Kunden in der Übergangszeit zu erkaufen waren, dann wurden diese Überlegungen über die rechnerischen Gewinne gestellt. Zwei Welten prallten aufeinander. Der junge international ausgebildete Betriebswirt und das große und alte Familienunternehmen in der Region waren sich grundlegend fremd.
Der angestellte Manager in Familienunternehmen benötigt Zusatzqualifikationen, die über das rein wirtschaftswissenschaftliche Wissen hinausgehen. Er muss sich auf die gelebten Werte und Ziele des Familienunternehmens und der Unternehmerfamilie einlassen, kongruente Ziele verfolgen und diese nicht nur intellektuell verstehen, sondern auch als Person vertreten und leben. Er sollte bei allen Regelabläufen bereit sein, informelle Strukturen auch als solche anzuerkennen (auch das sind Strukturen!) und dieses richtig einsetzen. Und er muss viel Zeit und Energie darauf verwenden, die Balance zwischen Unternehmen und Eigentümerfamilie ausgewogen zu halten und nicht nur die (vermeidlich wichtigeren) Interessen des Unternehmens in den Mittelpunkt stellen. Nur dann wird der externe Manager zum Mitglied eines Familienunternehmens. Und dann werden seine Vorschläge großes Gewicht haben und seine Position mit (zum Teil informeller) Macht ausgestattet sein. Er wird das Familienunternehmen nicht als exotische Organisation außerhalb aller Wirklichkeit erleben, sondern dieses als zutiefst in der (lokalen) Realität verankert finden. Fremd wird vertraut, Irritation wird Erfolg.