Haftlmeier-Seiffert, Rena

Familienunternehmen: eine noch immer unterschätzte Unternehmensform

in: Liberale Perspektiven 2/2020, S. 15-17
Verband liberaler Akademiker
2020

Auch wenn mittlerweile bekannt ist, dass Familienunternehmen das Rückgrat unserer deutschen Wirtschaft darstellen und dass man in anderen Ländern mit großer Hochachtung vom ‚German Mittelstand‘ spricht, werden hierzulande Familienunternehmen noch immer von vielen belächelt und als rückständig und wenig relevant betrachtet.
Gerne will ich im Folgenden der (abwertenden) Wahrnehmung von Familienunternehmen nachgehen. Diese gibt es nach wie vor, obwohl sich gerade in der aktuellen Corona-Krise wieder zeigt, dass die privat gehaltenen Familienunternehmen Stabilität bedeuten. Denn sie nehmen in der Regel weiter ihre gesellschaftliche Verantwortung an, indem sie ihre Produktion durch schnelle Umstellung und Anpassung am Laufen halten, plötzlich benötigte Produkte zur Verfügung stellen können und Arbeitsplätze sichern, während manche von anonymen Aktionären gehaltene Großkonzerne Milliardenhilfen vom Staat einsammeln und gleichzeitig Tausende von Mitarbeitern entlassen.

Der Neid

Nach wie vor gilt (oft unausgesprochene aber gesellschaftlich durchaus und übereinstimmend anerkannt) der Vorwurf, dass die Nachfolger und Erben von Familienunternehmen ‚von Beruf Sohn‘ seien, nichts leisten und das Vermögen ihrer Vorfahren durchbringen oder sich kapitalistisch an der Arbeitskraft anderer bereichern würden. Auch wenn Studien mittlerweile nachgewiesen haben, dass Mitglieder von Unternehmerfamilien – nicht zuletzt, weil sie den Vorwurf der Neider kennen – besonders leistungsbereit sind und ihre Altersgenossen insbesondere der Generation Y in Bezug auf Engagement und Einsatz weit hinter sich lassen, wird dies in der Öffentlichkeit (noch) nicht wirklich wahrgenommen. Ironischerweise werfen gerne ‚Kapitalisten‘ Unternehmerfamilien vor, ‚kapitalistische Ausbeuter’ zu sein. Denn viele nehmen sich selbst zwar als einfache und ‚normale‘ Bürger mit bravem, abhängigem Job wahr, sind aber im Grunde reine Kapitalisten, wenn man genau hinschaut. Viele haben nämlich zumindest eine Lebensversicherung, die in der Regel (auch) in Aktienfonds investiert ist; außerdem legen die meisten ihr Geld nicht unters Kopfkissen, sondern (gerade in Niedrigzinszeiten) nicht selten in Aktienfonds an. Diese betreiben aber anonym und dadurch völlig rücksichtslos rein renditegetrieben das Spiel an der Börse und zwingen die Großkonzerne dazu, ihre Rentabilität beispielsweise auf Kosten von Arbeitsplätzen zu maximieren. Das ist Kapitalismus pur.

Die Überheblichkeit

Nicht selten werden Familienunternehmen mit kleinen, rückständigen Unternehmen ohne Professionalität gleichgesetzt. Zwar gibt es solche Unternehmen durchaus. Doch hat dies in der Regel mit schlechter Führung zu tun und nichts mit der Eigentümer- und Verantwortungsstruktur.
Der Vorwurf der allgemeinen Rückständigkeit von Familienunternehmen ist offensichtlich völlig haltlos, da gerade der German Mittelstand hochinnovativ ist, flexibel Nischen besetzt und als technologiegetrieben gilt.
Auch muss der Vorwurf der geringen Professionalität genau betrachtet werden. Wenn man Professionalität mit festen Strukturen, Regelwerken, Formalisierungen, Organigrammen etc. gleichsetzt, dann mag der Vorwurf gelten. Es ist allerdings durchaus hochprofessionell, wenn man Wettbewerbsvorteile nutzt, indem man schnell, flexibel, unkonventionell-situationsgerecht und deshalb gerade wenig formalisiert handelt. Und dies gilt insbesondere dann, wenn sich dieses Handeln empathisch an den (Mit-)Menschen, einem nachhaltigen Langfristdenken und humanistischen Werten orientiert und nicht blind an er fixierten Governance-Regelung und der Gewinnmaximierung.

Familienunternehmen sind anders

Durch diese anders verstandene Professionalität können Familienunternehmen in der Regel schneller und flexibler agieren. Da ihr Formalisierungsgrad deshalb notgedrungen geringer ist, könnte damit ggf. die Empfindung der Unsicherheit einhergehen. Diese wird jedoch durch Vertrauen und Loyalität zwischen allen Stakeholdern in der Regel mehr als ausgeglichen. Und gerade diese verlässliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit von Unternehmerfamilie und Mitarbeiter*innen und auch Lieferanten und Kunden bildet eine gute Basis für kreative Neuerungen, die (auch) die besondere Innovationskraft unserer Familienunternehmen erklärt.
Wissen und Know-How wird hier oft über Personen (und nicht unbedingt über Institutionen) weitergegeben. Dies birgt zwar einerseits die Gefahr des Ausfalls von Wissensträger*innen, erhöht aber andererseits auch wieder die Reaktionsgeschwindigkeit.
Familienunternehmen haben in der Regel höhere Eigenkapitalquoten und weniger Liquidität zur Verfügung. Die geringere Liquidität mag zwar vordergründig Investitionen etwas behindern, allerdings schützt es auch vor unnötigen Ausgaben. Und nicht zuletzt deshalb wird – wie Studien zeigen – in Familienunternehmen zwar statistisch weniger Geld für Innovationen ausgegeben, die erfolgreichen Neuerungen sind aber wesentlich mehr, was bedeutet: weniger Input mit mehr Output, also Effizienz. Und die hohen Eigenkapitalquoten werden zwar von Managern in Dax-Konzernen gern als unproduktives Kapital belächelt, zeigen sich aber in Krisenzeiten (wie wir sie gerade wieder erleben) als äußerst stabilisierend. Nicht zuletzt stellt deshalb der Mittelstand das Rückgrat der deutschen Wirtschaft dar.
In Dax-Konzernen ist ein hoher Gewinn das oberste Ziel. Es ist gleichgültig mit welchen Produkten und welchen Mitarbeitern möglichst viel Rendite erwirtschaftet wird. Denn es ist der Sinn der Dax-Unternehmen, möglichst viel Geld zu verdienen. Schließlich wünschen die Aktionäre (Sparfonds, Lebensversicherungen etc.) eine möglichst hohe Ausschüttung. So werden denn auch die Gewinne regelmäßig verteilt.
In Familienunternehmen ist es umgekehrt. Hier gilt in der Regel der Gewinn nicht als Ziel und Sinn, sondern als Voraussetzung. Das Geldverdienen wird als Basis betrachtet, um gut wirtschaften zu können, um sinnvolle Produkte oder Dienstleistungen, die unser Leben erleichtern, entwickeln und anbieten zu können, um die Arbeitsplätze der Mitarbeiter zu sichern und die Verantwortung für ein gutes Gemeinwohl übernehmen zu können. Und damit sind wir wieder am Anfang: In der Regel bereichern sich diese ‚ausbeuterischen Kapitalisten‘ nur sehr selten persönlich an der Firma. Die Gewinne werden meist nicht ausgekehrt, sondern größtenteils thesauriert, um der Firma Innovationspotential und Eigenkapital und damit Spielraum zur Verfügung zu stellen. Die meisten Unternehmerfamilien betrachten sich deshalb eher als Treuhänder, denn als Besitzer ihres Unternehmens. Sie empfinden nicht, dass ihnen die Gewinne zustehen, sondern der Firma, die diese ja auch erwirtschaftet hat.

Volkswirtschaftliche und damit gesellschaftliche Relevanz von Familienunternehmen

Diese Treuhänderhaltung der Unternehmerfamilien stabilisiert unsere Gegenwart. Durch das hohe Eigenkapital der Familienunternehmen schafft es diese Unternehmensform in der Regel, Krisen besser zu bewältigen und trägt damit über den Erhalt der Arbeitsplätze zum Gemeinwohl bei.
Diese Treuhänderhaltung gestaltet unsere Zukunft. Denn durch die hohe Thesaurierung der Gewinne können Familienunternehmen innovative Ideen, Produkte, Dienstleistungen etc. realisieren. So bleiben wir eine zukunftsfähige Gesellschaft mit einer zukunftsfähigen Volkswirtschaft.

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Auch wenn mittlerweile bekannt ist, dass Familienunternehmen das Rückgrat unserer deutschen Wirtschaft darstellen und dass man in anderen Ländern mit großer Hochachtung vom ‚German Mittelstand‘ spricht, werden hierzulande Familienunternehmen noch immer von vielen belächelt und als rückständig und wenig relevant betrachtet.
Gerne will ich im Folgenden der (abwertenden) Wahrnehmung von Familienunternehmen nachgehen. Diese gibt es nach wie vor, obwohl sich gerade in der aktuellen Corona-Krise wieder zeigt, dass die privat gehaltenen Familienunternehmen Stabilität bedeuten. Denn sie nehmen in der Regel weiter ihre gesellschaftliche Verantwortung an, indem sie ihre Produktion durch schnelle Umstellung und Anpassung am Laufen halten, plötzlich benötigte Produkte zur Verfügung stellen können und Arbeitsplätze sichern, während manche von anonymen Aktionären gehaltene Großkonzerne Milliardenhilfen vom Staat einsammeln und gleichzeitig Tausende von Mitarbeitern entlassen.

Der Neid

Nach wie vor gilt (oft unausgesprochene aber gesellschaftlich durchaus und übereinstimmend anerkannt) der Vorwurf, dass die Nachfolger und Erben von Familienunternehmen ‚von Beruf Sohn‘ seien, nichts leisten und das Vermögen ihrer Vorfahren durchbringen oder sich kapitalistisch an der Arbeitskraft anderer bereichern würden. Auch wenn Studien mittlerweile nachgewiesen haben, dass Mitglieder von Unternehmerfamilien – nicht zuletzt, weil sie den Vorwurf der Neider kennen – besonders leistungsbereit sind und ihre Altersgenossen insbesondere der Generation Y in Bezug auf Engagement und Einsatz weit hinter sich lassen, wird dies in der Öffentlichkeit (noch) nicht wirklich wahrgenommen. Ironischerweise werfen gerne ‚Kapitalisten‘ Unternehmerfamilien vor, ‚kapitalistische Ausbeuter’ zu sein. Denn viele nehmen sich selbst zwar als einfache und ‚normale‘ Bürger mit bravem, abhängigem Job wahr, sind aber im Grunde reine Kapitalisten, wenn man genau hinschaut. Viele haben nämlich zumindest eine Lebensversicherung, die in der Regel (auch) in Aktienfonds investiert ist; außerdem legen die meisten ihr Geld nicht unters Kopfkissen, sondern (gerade in Niedrigzinszeiten) nicht selten in Aktienfonds an. Diese betreiben aber anonym und dadurch völlig rücksichtslos rein renditegetrieben das Spiel an der Börse und zwingen die Großkonzerne dazu, ihre Rentabilität beispielsweise auf Kosten von Arbeitsplätzen zu maximieren. Das ist Kapitalismus pur.

Die Überheblichkeit

Nicht selten werden Familienunternehmen mit kleinen, rückständigen Unternehmen ohne Professionalität gleichgesetzt. Zwar gibt es solche Unternehmen durchaus. Doch hat dies in der Regel mit schlechter Führung zu tun und nichts mit der Eigentümer- und Verantwortungsstruktur.
Der Vorwurf der allgemeinen Rückständigkeit von Familienunternehmen ist offensichtlich völlig haltlos, da gerade der German Mittelstand hochinnovativ ist, flexibel Nischen besetzt und als technologiegetrieben gilt.
Auch muss der Vorwurf der geringen Professionalität genau betrachtet werden. Wenn man Professionalität mit festen Strukturen, Regelwerken, Formalisierungen, Organigrammen etc. gleichsetzt, dann mag der Vorwurf gelten. Es ist allerdings durchaus hochprofessionell, wenn man Wettbewerbsvorteile nutzt, indem man schnell, flexibel, unkonventionell-situationsgerecht und deshalb gerade wenig formalisiert handelt. Und dies gilt insbesondere dann, wenn sich dieses Handeln empathisch an den (Mit-)Menschen, einem nachhaltigen Langfristdenken und humanistischen Werten orientiert und nicht blind an er fixierten Governance-Regelung und der Gewinnmaximierung.

Familienunternehmen sind anders

Durch diese anders verstandene Professionalität können Familienunternehmen in der Regel schneller und flexibler agieren. Da ihr Formalisierungsgrad deshalb notgedrungen geringer ist, könnte damit ggf. die Empfindung der Unsicherheit einhergehen. Diese wird jedoch durch Vertrauen und Loyalität zwischen allen Stakeholdern in der Regel mehr als ausgeglichen. Und gerade diese verlässliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit von Unternehmerfamilie und Mitarbeiter*innen und auch Lieferanten und Kunden bildet eine gute Basis für kreative Neuerungen, die (auch) die besondere Innovationskraft unserer Familienunternehmen erklärt.
Wissen und Know-How wird hier oft über Personen (und nicht unbedingt über Institutionen) weitergegeben. Dies birgt zwar einerseits die Gefahr des Ausfalls von Wissensträger*innen, erhöht aber andererseits auch wieder die Reaktionsgeschwindigkeit.
Familienunternehmen haben in der Regel höhere Eigenkapitalquoten und weniger Liquidität zur Verfügung. Die geringere Liquidität mag zwar vordergründig Investitionen etwas behindern, allerdings schützt es auch vor unnötigen Ausgaben. Und nicht zuletzt deshalb wird – wie Studien zeigen – in Familienunternehmen zwar statistisch weniger Geld für Innovationen ausgegeben, die erfolgreichen Neuerungen sind aber wesentlich mehr, was bedeutet: weniger Input mit mehr Output, also Effizienz. Und die hohen Eigenkapitalquoten werden zwar von Managern in Dax-Konzernen gern als unproduktives Kapital belächelt, zeigen sich aber in Krisenzeiten (wie wir sie gerade wieder erleben) als äußerst stabilisierend. Nicht zuletzt stellt deshalb der Mittelstand das Rückgrat der deutschen Wirtschaft dar.
In Dax-Konzernen ist ein hoher Gewinn das oberste Ziel. Es ist gleichgültig mit welchen Produkten und welchen Mitarbeitern möglichst viel Rendite erwirtschaftet wird. Denn es ist der Sinn der Dax-Unternehmen, möglichst viel Geld zu verdienen. Schließlich wünschen die Aktionäre (Sparfonds, Lebensversicherungen etc.) eine möglichst hohe Ausschüttung. So werden denn auch die Gewinne regelmäßig verteilt.
In Familienunternehmen ist es umgekehrt. Hier gilt in der Regel der Gewinn nicht als Ziel und Sinn, sondern als Voraussetzung. Das Geldverdienen wird als Basis betrachtet, um gut wirtschaften zu können, um sinnvolle Produkte oder Dienstleistungen, die unser Leben erleichtern, entwickeln und anbieten zu können, um die Arbeitsplätze der Mitarbeiter zu sichern und die Verantwortung für ein gutes Gemeinwohl übernehmen zu können. Und damit sind wir wieder am Anfang: In der Regel bereichern sich diese ‚ausbeuterischen Kapitalisten‘ nur sehr selten persönlich an der Firma. Die Gewinne werden meist nicht ausgekehrt, sondern größtenteils thesauriert, um der Firma Innovationspotential und Eigenkapital und damit Spielraum zur Verfügung zu stellen. Die meisten Unternehmerfamilien betrachten sich deshalb eher als Treuhänder, denn als Besitzer ihres Unternehmens. Sie empfinden nicht, dass ihnen die Gewinne zustehen, sondern der Firma, die diese ja auch erwirtschaftet hat.

Volkswirtschaftliche und damit gesellschaftliche Relevanz von Familienunternehmen

Diese Treuhänderhaltung der Unternehmerfamilien stabilisiert unsere Gegenwart. Durch das hohe Eigenkapital der Familienunternehmen schafft es diese Unternehmensform in der Regel, Krisen besser zu bewältigen und trägt damit über den Erhalt der Arbeitsplätze zum Gemeinwohl bei.
Diese Treuhänderhaltung gestaltet unsere Zukunft. Denn durch die hohe Thesaurierung der Gewinne können Familienunternehmen innovative Ideen, Produkte, Dienstleistungen etc. realisieren. So bleiben wir eine zukunftsfähige Gesellschaft mit einer zukunftsfähigen Volkswirtschaft.

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