Wacker, Ulrich

Wie es sein sollte. Aufgabe und Verhaltensweisen inaktiver Gesellschafter

Aspekte der Gesellschafterkompetenz

in: unternehmermagazin 1/2-2012, S. 10 ff. (Teil 1), unternehmermagazin 3/2012, S. 10 ff. (Teil 2)
Unternehmer Medien
2012

Auf die Frage, was man vernünftigerweise von verantwortungsbewussten inaktiven Gesellschaftern erwarten darf, gibt es keine einfache und schon gar keine vollständige und umfassende Antwort, sondern höchstens Aspekte, Hinweise und Erfahrungen, die darüber hinaus sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wen man fragt.


Gerade junge Gesellschafter(1) von Familienunternehmen mit oft kleinen Anteilen sind sich über ihre Rolle und Aufgaben wenig im Klaren. Hinzu kommt ein geringes Wissen um wirtschaftliche oder gar unternehmerische Zusammenhänge und das Fehlen von jeglichen praktischen Erfahrungen aus Betrieben und dem Arbeitsleben, was kein Wunder ist, wenn man 13 Jahre zur Schule ging und anschließend ein Hochschulstudium absolvierte.
Zunächst werden die nichttätigen Gesellschafter verwirrt feststellen, dass es offensichtlich viele verschiedene Gruppen gibt, die Erwartungen an Familiengesellschafter haben: die übrigen Mitgesellschafter, die Geschäftsführung oder der Vorstand des Unternehmens, die Mitarbeiter, die Umwelt bzw. Öffentlichkeit, die Banken usw.
Die Komplexität der scheinbar unterschiedlichen Erwartungen lässt sich vereinfachen, indem man unter einem Unternehmen zunächst einmal nur eine juristische Person versteht, die wiederum aus Menschen besteht, die dazugehören oder in ihrem Umfeld stehen oder sogar Organe sind, die für diese juristische Person Willenserklärungen abgeben können und handeln. Denn dann lautet die Frage nach den Erwartungen an nichttätige Gesellschafter:
Was erwartet ein Familienunternehmen von seinen Gesellschaftern?

Gesellschafterselbstverständnis: Börsenspekulant versus Gründungsunternehmer
Auch Börsenspekulanten sind selbstverständlich Miteigentümer und Gesellschafter eines Unternehmens – möglicherweise sogar eines börsennotierten Familienunternehmens. Ihr alleiniges Interesse ist es, eine möglichst hohe Rendite in möglichst kurzer Zeit zu einem vertretbaren Risiko zu erzielen, also eine möglichst rasche Wertsteigerung der gekauften Aktien und/oder eine hohe Dividende. Ein darüber hinausgehendes Interesse an oder für das Unternehmen, das mittel- und gar langfristiger Natur wäre, ist nicht notwendig oder vorhanden. Allenfalls reicht es noch zu einem Zeithorizont von 12 Monaten, damit Aktiengewinne außerhalb der Spekulationsfrist steuergünstig realisiert werden können.

In Abstufung nach den Börsenspekulanten kommen die Fondsmanager, die Private Equity-Firmen oder die Finanzinvestoren, die durchaus gewisse Risiken mit übernehmen und wenigstens innerhalb eines Zeithorizonts von einigen Jahren denken und agieren. Am wichtigsten ist ihnen, dass das Unternehmen optimal dasteht und zu einem maximalen Preis weiterveräußert werden kann, wenn das Investment beendet wird; die Strategie ist also vom Exit getrieben.

Das andere Extrem des Anteilseigners sind die Gründungsunternehmer, die (vergleichbar einer Zeugung, Schwangerschaft und Geburt) von der Idee über die Gründung ihr Unternehmen von Null an aufgebaut haben. Die Spuren zwischen ihnen und dem Unternehmen verwischen. Sie kennen alles, haben so gut wie jeden Arbeitsgang selbst durchgeführt, alle Mitarbeiter selbst ausgesucht, eingestellt und mit ihnen zusammengearbeitet. Dieser Typus der Familienunternehmer ist so verwoben mit dem eigenen Unternehmen, dass das Hauptproblem für sie im Loslassen besteht; d. h. Arbeiten und Aufgaben können sie schlecht delegieren. Ein Management anlernen und führen, statt selber zu machen, wird ihnen immer schwer fallen, und auch ein Loslassen im Sinne eines geregelten Generationsübergangs ist für diesen Typ Unternehmer extrem schwierig.

Die den Gründern nachfolgenden Führungsgenerationen in Familienunternehmen tragen hingegen schon ein Element der angestellten Manager in sich. Ziel und oberstes Interesse ihres Wirkens ist es, das Unternehmen während ihrer Amtsperiode oder Verantwortung gesund, vital, zukunftssicher und gut aufgestellt im Wettbewerb zu erhalten und, wenn möglich, hinsichtlich aller Kriterien voran zu bringen. Für geschäftsführende Gesellschafter eines Familienunternehmens ist das Unternehmen in der Regel nach wie vor der zentrale Punkt im Leben, um den sich sämtliche andere Lebensfaktoren – und seien sie Familie, Kinder, Freunde, Freizeit oder sonstige Interessen – herum platzieren oder im Konfliktfall hintan stehen müssen. Das Familienunternehmen ist omnipräsent. Ganz extrem ist es, wenn auch noch der Ehepartner mitarbeitet. Der Betrieb sitzt dann sozusagen mit am Frühstücks- und am Abendbrottisch und wird behandelt wie ein Kind, dem gegenüber sich die echten, leiblichen Kinder nicht selten zurückgesetzt und vernachlässigt fühlen. Die Kinder in solchen Unternehmerhaushalten wachsen mit diesem Geschwisterkind ‚Unternehmen’ nicht unproblematisch aber zwangsläufig auf.

Der Weg zum verantwortungsvollen Familiengesellschafter
Wer schon als Kind und Jugendlicher unmittelbar und über lange Zeiträume hinweg von den verschiedensten Ecken und Blickwinkeln aus das Unternehmen mit seinen Menschen kennen lernt(2), hat wahrscheinlich kaum Berührungsangst dem Unternehmen gegenüber. Sorgen und Ängste entstehen ja bekanntlich aus den Faktoren Nichtwissen und Nichtkennen.

Und damit ist der erste und wichtigste Schritt vollzogen, zu einem guten Gesellschafter zu werden – nämlich durch Wissen und Kenntnisse. Und wenn dies nicht quasi automatisch durch die Lebensumstände erfolgt, dann sollten sich die (zukünftigen) Gesellschafter bewusst bemühen, ihr Wissen zu ergänzen, zu erweitern oder es überhaupt erst zu erwerben. Dies gilt hinsichtlich allgemeiner theoretischer Kenntnisse über das Wirtschaftsleben, die Unternehmen, Märkte, betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Fragen, vor allem aber auch hinsichtlich konkreter und detaillierter Kenntnisse über das spezifische Familienunternehmen. Hier ist natürlich in erster Linie das Unternehmen und da vor allem das Management aufgerufen und aufgefordert, Möglichkeiten zu eröffnen und anzubieten. Die Gesellschafter und ihre Kinder oder potentielle Erben sollten also zu Messen, Hausausstellungen, Produktvorführungen, Firmen- und Kundenveranstaltungen, Betriebsrundgängen, Lehrgängen, Praktika, Vorträgen, Schulungen, Betriebsfesten und Ausflügen eingeladen werden, kurzum zu all den Aktivitäten, die Gesellschafter im Allgemeinen oder Einzelne im Besonderen interessieren könnten.

Die Zeiten sind vorbei – wenn es sie überhaupt je gegeben hat – in denen eine Geschäftsführung die Gesellschafter im Dunklen oder lieber im Unwissenden halten wollte, vielleicht mit dem Hintergedanken, dass gut informierte Gesellschafter mit spezifischen Kenntnissen ggf. anstrengender sind, lästige Fragen stellen oder vielleicht sogar in der Lage sind, die Arbeit und Leistung des Managements nachvollziehen und kritisch beurteilen zu können. Von unmündigen, weil unwissenden Gesellschaftern hat ein Unternehmen letztlich jedoch genauso wenig wie von unwissenden, weil schlecht informierten Mitarbeitern. Gerade in dem entscheidenden Moment, in dem ein solcher Mitarbeiter/ Gesellschafter einmal schnell und alleine entscheiden muss, wird er genau das Falsche tun, weil er die Zusammenhänge nicht richtig erkennen konnte.

Dass der Transfer von Informationen, das Erwerben von Kenntnissen und Wissen glückt, setzt auf Seiten des Gesellschafters ein gewisses Interesse und die Bereitschaft voraus, Zeit zu investieren. Denn diese beiden Faktoren sind die eigentlichen Hauptwünsche und Forderungen an nicht im Unternehmen mitarbeitende Miteigentümer. Ohne ein gewisses echtes Interesse und die Bereitschaft, sich etwas Zeit zu nehmen, um diesem Interesse nachkommen zu können, geht es nicht. Gespieltes oder geheucheltes Interesse kommt dabei schlechter an als ehrliches und vielleicht sogar plausibel begründetes Desinteresse. Der vertretende Anwalt, der immer wieder betont, wie groß das Interesse des im Ausland lebenden Mitgesellschafters sei, den aber seit über 10 Jahren keiner mehr gesehen hat, erntet nur noch ein allseitig müdes Lächeln. Derjenige Mitgesellschafter, der kein echtes Interesse hat oder aufbringen mag (die dafür benötigte Zeit findet sich gleichsam von selbst, denn echtes Interesse setzt hohe Priorität, während die Erklärung, keine Zeit zu haben, immer auf niedere Priorität und damit Desinteresse schließen lässt), sollte sich ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigen, als Mitgesellschafter im Familienunternehmen auszuscheiden, um damit dem verbleibenden, interessierten Familiengesellschafterkreis ein Stück Kraft und Vitalität zurück zu geben.

Interesse kann man (ähnlich wie Motivation) nicht erzwingen. Man kann allenfalls von Seiten des Unternehmens Gelegenheiten dazu bieten, es vielleicht verstärken oder wecken. Einem Mitarbeiter kann man eine andere, geeignetere Aufgabe zuweisen, aber einem Gesellschafter kann das Unternehmen nicht Interesse für seine Rolle und Funktion aufnötigen. Das Mindeste, was man von einem verantwortungsbewussten Gesellschafter m. E. erwarten darf, der nicht das notwendige Interesse für sein Familienunternehmen aufbringen kann und will, ist, seine Anteile an andere stärker interessierte Gesellschafter abzugeben oder wenigstens einen interessierteren Mitgesellschafter zu bevollmächtigen, seine Interessen mit zu vertreten.

Eher tragisch (wenn auch sehr selten) sind die Fälle, in denen Gesellschafter echtes und ehrliches Interesse für ihr Familienunternehmen haben, aber ihre Kenntnisse oder ihr Beurteilungsvermögen so unzureichend sind, dass vernünftige Entscheidungen von ihnen nicht mitgetragen werden können. Denn in der Regel lassen sich auch sehr komplexe Fragen und Entscheidungen so aufbereiten, dass Mitgesellschafter sachdienliche und verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen können.

Eigenschaften guter Gesellschafter
Nur wenn Interesse vorhanden ist, kommt man zu dem, was einen guten Miteigentümer oder Gesellschafter eines Familienunternehmens ausmacht: Engagement, Nähe und Solidarität zum Unternehmen.

Aus Kenntnissen, Wissen, Interesse und Zeit wird sich fast zwangsläufig eine gewisse Nähe zum Unternehmen ergeben und zwar eine Nähe zu den Menschen im Unternehmen aber auch zum Umfeld der Branche, zum Produkt, zur Technik, zur Technologie, zu den Problemen, zur Historie und Tradition, zum Management, zur Kultur und zu den Werten etc. Mit der Nähe wird sich dann aber auch Wirkung und Einfluss einstellen. D. h. der Gesellschafter ist nicht mehr nur kapitalgebender, aber machtloser und gegebenenfalls lästiger, da unvermeidlicher Zierrat, sondern er wird auf das Unternehmen, seine Repräsentanten und Mitarbeiter wirken und einwirken – und das nicht limitiert durch seine Anteilsgrößenordnung, sondern durch das, was er dem Unternehmen geben kann und einbringen will, durch sein Engagement.

Das Zulassen und Suchen von Nähe, auch nach persönlicher und menschlicher Nähe, ist das, was ein Familienunternehmen am stärksten von börsennotierten Kapitalgesellschaften unterscheidet, und zwar im Innenverhältnis im Unternehmen zwischen Chefs und Mitarbeitern, aber auch im Verhältnis der Gesellschafter zum Unternehmen. Die sogenannten Profis – und seien sie renommierte Berater, professionelle Aufsichtsräte, Finanzinvestoren, Fondmanager o. ä. – suchen und wollen diese Nähe nicht, denn diese Nähe würde ja bei harten Entscheidungen die kühle Ratio möglicherweise beeinträchtigen. Ein auf fünf Jahre angestellter Vorstand einer anonymen Großgesellschaft kennt seine Mitarbeiter meist persönlich nicht näher, geschweige denn ihre Vergangenheit oder Familienverhältnisse. Ein Hedgefond-Manager oder Konkursverwalter interessiert sich bestenfalls für das Management – und das sehr oberflächlich, weil seine Aufgabe nach einigen Monaten erledigt sein wird. Die große Nähe – natürlich auch begünstigt durch die in der Regel viel geringere Größe von Familienunternehmen – ist das Hauptunterscheidungskriterium eines familiengetragenen Unternehmens und bezieht auch die Gesellschafterebene mit ein.

Neben der Nähe hat ein guter Familiengesellschafter auch so etwas wie Respekt und Dankbarkeit dem Unternehmen oder allen Menschen gegenüber, die darin jetzt und in der Vergangenheit tätig waren. Denn er ist sich bewusst, dass nicht wenige Unternehmerfamilien und ihre Angehörigen einen Großteil ihrer materiellen Unabhängigkeit, ihres Wohlstands, ja ihrer Reichtümer den Ideen, dem Fleiß und dem Geschick der Unternehmensführer und aller Mitarbeiter in der Vergangenheit und Gegenwart verdanken. Durch die über 60 Jahre Frieden in Deutschland und Mitteleuropa ist es möglich, dass man fast sein gesamtes Privatvermögen bereits von den Eltern geerbt hat und dass diese auch schon ihre materielle Existenz auf ein damals bereits bestehendes Familienunternehmen gründeten. Ein von Mitmenschen und Mitarbeitern akzeptierter und gewürdigter Gesellschafter behält dies mit einer gewissen Demut im Hinterkopf.

Darüber hinaus ist Glaubwürdigkeit eine wesentliche Eigenschaft eines verantwortungsvollen und guten Gesellschafters. Wer viel mit Menschen zu tun hat, wird aufgrund seiner Lebenserfahrung die Menschen intuitiv oder bewusst nach ihrem Tun beurteilen. „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen“, heißt es, und nicht an dem, was sie sagen oder gar vorschützen. Übereinstimmung zwischen Denken und Reden einerseits und Reden und Tun andererseits ist das, was man als Glaubwürdigkeit bezeichnet.

Die Glaubwürdigkeit eines Familiengesellschafters ist dann sehr hoch, wenn die von ihm vertretenen und gelebten Werte mit der Kultur und den Maximen im Unternehmen übereinstimmen. Es wird allerdings selten der Fall sein, dass alle Werte und erst recht die positiven gleich stark und gleichrangig in einem größeren Familiengesellschafterkreis vertreten sind. Da aber der Wertekatalog eines Unternehmens kurz und exemplarisch sein und sich aufs Wesentliche beschränken muss, ist er in der Regel relativ unspezifisch. Trotzdem ist Vorsicht geboten beziehungsweise vor leichtfertigen Lippenbekenntnissen zu warnen. Wenn beispielsweise Ehrlichkeit oder Qualität als Werte gelten, so wird diese jeder bejahen oder für gut und richtig befinden. Wer möchte denn schon Werte wie Unehrlichkeit propagieren oder in der Arbeit Pfusch anstreben? Dabei ist aber die Frage, wie man es persönlich hält oder ob diese Werte auch individuell gelebt und vertreten werden, die Gretchenfrage. Der Manager, der immer von Qualität spricht, aber im Terminkalender nie Zeit für entsprechende Maßnahmen hat oder mit Durchschnittlichem durchaus zufrieden ist, kann vielleicht eine turn-around-Situation meistern oder eine Restrukturierung durchziehen. Ob er allerdings 20 Jahre lang der anerkannte und angesehene Chef sein wird, sei dahingestellt. Die Vorbildlichkeit im Tun ist nicht nur die beste Erziehungs- und Führungsmethode, sondern zwingt letztendlich auch zur Selbstdisziplin.

Außerdem ist zu bedenken, dass sich nicht nur geschäftsführende Gesellschafter sondern durchaus auch inaktive Gesellschafter zumindest für die Mitarbeiter in einer exponierten Stellung befinden, die nicht frei von Anforderungen und Erwartungen ist. Zu dem kommt in Familienunternehmen (gerade wenn sie alt und traditionsbehaftet sind) so etwas wie ein dynastisches Element, das nicht unterschätzt werden sollte. Denn der Eigentümerfamilie eines Unternehmens wird oft eine Art royalistische Affektion entgegengebracht(3). Das gemeinsame Blut innerhalb einer noch so großen und verzweigten Familie dient der Integration und Identifikation der Mitarbeiter. Es dient dem Wir-Gefühl, einem Gefühl der Zugehörigkeit, was psychologisch kein unwesentliches Element ist. Dies muss von jedem Familiengesellschafter gesehen, akzeptiert und gestärkt werden – letztlich wieder durch Interesse und Teilnahme.

Auch bei der Führungsrolle eines Geschäftsführers sind das Interesse, die Zeit und die Aufmerksamkeit ganz wesentliche Führungsinstrumente. „Die Augen des Herrn machen das Vieh satt“ ist nicht der schlechteste oder erfolgloseste Führungsstil. Jeder Mitarbeiter wird in seinem Spezialgebiet immer fachlich besser als sein Chef sein und deswegen vielleicht auch die qualifizierteren Entscheidungen treffen. Aber der Chef muss trotzdem da sein und echtes Interesse für Aufgaben, Fragen und Probleme des Mitarbeiters aufbringen. Insofern ist Führung immer Dienen. In geringerem Maße gilt dies genauso für den nicht-aktiven Gesellschafter.

Dieses Gemeinschaftsgefühl, das jedes gut funktionierende Unternehmen und nicht nur Familienunternehmen entwickelt, ist kein unwesentlicher Bestandteil der Selbstbehauptung im Wettbewerb und Markt. Der Stolz auf die gemeinsame Gruppe und die Produkte, das Abgrenzen zu anderen Unternehmungen oder Unternehmensteilen ist wichtig, und der Einzelne kann sich dem kaum entziehen. Der Gesellschafter kann und soll in diesem Sinne auch durchaus stolz sein. Stolz darauf, am Erhalt und der Sicherung des Überlebens und der Existenz eines manchmal bereits sehr alten und traditionsvollen Unternehmens mitzuwirken – allerdings nur so lange dieser Stolz nicht das Einzige ist oder in Arroganz oder Borniertheit umschlägt.

Ein guter und verantwortungsbewusster Gesellschafter eines Familienunternehmens wird also durch Interesse seine Kenntnisse und sein Wissen erweitern, sich über die Zeit verstärkt mit dem Unternehmen, seiner Welt und seinem Umfeld beschäftigen und damit durch seine Nähe und sein Engagement das Erbe seiner Väter verstärken. Nicht jeder kann (und ich füge hinzu soll) im Unternehmen mitarbeiten, denn es gibt keine gefährlichere Konstellation als mehrere Familiengesellschafter als Geschäftsführer im Unternehmen nebeneinander.

Die Aufgaben der (verantwortungsvollen) Gesellschafter
Langfristig am Unternehmen interessierte und an das Unternehmen gebundene, glaubwürdige, stolze aber ebenfalls demütige Gesellschafter zu haben, ist für das Unternehmen ausgesprochen wichtig, denn der Gesellschafterkreis übt starken und entscheidenden Einfluss aus, indem er nicht zuletzt die operative Unternehmensführung bestimmt und die verfügbaren Geldmittel durch die Ausschüttungspolitik festlegt.

Neben diesen Hauptaufgaben gibt es noch weitere, die alles andere als nebensächlich sind und insbesondere die Nähe, das Engagement und das Interesse einerseits zeigen und andererseits befördern, indem sie wieder zurück wirken. Nichtaktive Gesellschafter müssen sich der Erhaltung einer funktionierenden Großfamilie widmen, denn auch dies geht nicht ohne Engagement und persönlichen Einsatz. Außerdem sind Aktivitäten im Umfeld des Unternehmens dienlich, die die Nähe und Verbundenheit zum Unternehmen zum Ausdruck bringen, den Mitarbeitern gegenüber Interesse und Präsenz beweisen und natürlich auch die Möglichkeit eröffnen, persönliche Fähigkeiten und individuelle Stärken dem Unternehmen zuteilwerden zu lassen. Selbst ein Gesellschafter mit einem wirtschaftsfernen Lebenskreis kann sich im Unternehmen einbringen. Ein Arzt oder Theologe kann beispielsweise kostenlose Sprechstunden oder Lebenshilfe für Mitarbeiter anbieten, ein Künstler kann seine Werke dem Unternehmen stiften oder leihen, man kann in den Sozialeinrichtungen des Unternehmens für Kinder oder Familienangehörige praktisch wirken und damit die Geschäftsführung oder leitende Mitarbeiter entlasten. Gesellschafter können Verbandsfunktionen und/oder Repräsentationen der Firma nach außen gegenüber Behörden, der Öffentlichkeit punktuell oder generell übernehmen – eine Aufgabenstellung, die vielen Vollblutunternehmern wenig liegt. Man kann sich im Spendenwesen engagieren oder in der Zusammenarbeit in den Gemeinden, in denen das Unternehmen tätig ist usw.
Auch hier gilt: ‚Es gibt nichts Gutes, außer man tut es’. Oder im Sinne John F. Kennedys: „Frage nicht, was das Unternehmen für dich tun kann, sondern frage, was du für das Unternehmen tun kannst“.

Fazit: Was wird von guten und verantwortungsvollen Gesellschaftern erwartet?
Heute wird in diesem Zusammenhang häufig von ‚Professional Ownership’ gesprochen. Allerdings impliziert dieser Begriff den ‚berufsmäßigen Eigentümer’ und dies ist wohl eher ein Finanzinvestor als ein passiver Gesellschafter in einem Familienunternehmen. Versucht man es indessen einmal nicht mit den heute so beliebten Anglizismen, so weiß die deutsche Sprache in diesem Falle viel mehr, denn sie bezeichnet das Eigentum an Unternehmen als Anteile. Und in diesem Sinne sollte auch jeder, der Anteile an einem Familienunternehmen hält, Anteil an diesem Familienunternehmen nehmen.

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(1) Um der besseren Lesbarkeit Willen ist hier wie im Folgenden häufig die männliche Form gewählt. Sie schließt immer auch die weibliche mit ein.
(2) Ich selbst, wie auch meine Kinder, durften beispielsweise am Wochenende mit dem Vater ins Büro, Briefe schlitzen und abstempeln, Büromaterial sortieren und verpacken, Autofahren auf dem Betriebsgelände üben, Firmenrundgänge machen, bei Unternehmensfeiern mit dabei sein, bei häuslichen Einladungen Mitarbeiter und Geschäftsfreunde kennen lernen, auf Messen herumtollen und Maschinen ausprobieren, Praktika in der Reparaturwerkstatt absolvieren, bei den Lehrlingen während der Sommerferien ein bisschen mitarbeiten, feilen und schweißen, in der Registratur oder Montage ein paar Mark zum Taschengeld hinzuverdienen, Praktika bei ausländischen Tochtergesellschaften absolvieren usw.
(3) Der König und die königliche Familie sind nicht zuletzt wegen ihrer qua Geburt zugewiesenen Rolle unangreifbar und stehen über den Niederungen der Politik oder des Alltags. Selbst in alten und gefestigten Republiken sehnt sich offen oder unterschwellig ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung nach einem König, der, selbst wenn er unfähig ist, noch zur Galions- oder Vereinigungsfigur taugen kann.

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Auf die Frage, was man vernünftigerweise von verantwortungsbewussten inaktiven Gesellschaftern erwarten darf, gibt es keine einfache und schon gar keine vollständige und umfassende Antwort, sondern höchstens Aspekte, Hinweise und Erfahrungen, die darüber hinaus sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wen man fragt.


Gerade junge Gesellschafter(1) von Familienunternehmen mit oft kleinen Anteilen sind sich über ihre Rolle und Aufgaben wenig im Klaren. Hinzu kommt ein geringes Wissen um wirtschaftliche oder gar unternehmerische Zusammenhänge und das Fehlen von jeglichen praktischen Erfahrungen aus Betrieben und dem Arbeitsleben, was kein Wunder ist, wenn man 13 Jahre zur Schule ging und anschließend ein Hochschulstudium absolvierte.
Zunächst werden die nichttätigen Gesellschafter verwirrt feststellen, dass es offensichtlich viele verschiedene Gruppen gibt, die Erwartungen an Familiengesellschafter haben: die übrigen Mitgesellschafter, die Geschäftsführung oder der Vorstand des Unternehmens, die Mitarbeiter, die Umwelt bzw. Öffentlichkeit, die Banken usw.
Die Komplexität der scheinbar unterschiedlichen Erwartungen lässt sich vereinfachen, indem man unter einem Unternehmen zunächst einmal nur eine juristische Person versteht, die wiederum aus Menschen besteht, die dazugehören oder in ihrem Umfeld stehen oder sogar Organe sind, die für diese juristische Person Willenserklärungen abgeben können und handeln. Denn dann lautet die Frage nach den Erwartungen an nichttätige Gesellschafter:
Was erwartet ein Familienunternehmen von seinen Gesellschaftern?

Gesellschafterselbstverständnis: Börsenspekulant versus Gründungsunternehmer
Auch Börsenspekulanten sind selbstverständlich Miteigentümer und Gesellschafter eines Unternehmens – möglicherweise sogar eines börsennotierten Familienunternehmens. Ihr alleiniges Interesse ist es, eine möglichst hohe Rendite in möglichst kurzer Zeit zu einem vertretbaren Risiko zu erzielen, also eine möglichst rasche Wertsteigerung der gekauften Aktien und/oder eine hohe Dividende. Ein darüber hinausgehendes Interesse an oder für das Unternehmen, das mittel- und gar langfristiger Natur wäre, ist nicht notwendig oder vorhanden. Allenfalls reicht es noch zu einem Zeithorizont von 12 Monaten, damit Aktiengewinne außerhalb der Spekulationsfrist steuergünstig realisiert werden können.

In Abstufung nach den Börsenspekulanten kommen die Fondsmanager, die Private Equity-Firmen oder die Finanzinvestoren, die durchaus gewisse Risiken mit übernehmen und wenigstens innerhalb eines Zeithorizonts von einigen Jahren denken und agieren. Am wichtigsten ist ihnen, dass das Unternehmen optimal dasteht und zu einem maximalen Preis weiterveräußert werden kann, wenn das Investment beendet wird; die Strategie ist also vom Exit getrieben.

Das andere Extrem des Anteilseigners sind die Gründungsunternehmer, die (vergleichbar einer Zeugung, Schwangerschaft und Geburt) von der Idee über die Gründung ihr Unternehmen von Null an aufgebaut haben. Die Spuren zwischen ihnen und dem Unternehmen verwischen. Sie kennen alles, haben so gut wie jeden Arbeitsgang selbst durchgeführt, alle Mitarbeiter selbst ausgesucht, eingestellt und mit ihnen zusammengearbeitet. Dieser Typus der Familienunternehmer ist so verwoben mit dem eigenen Unternehmen, dass das Hauptproblem für sie im Loslassen besteht; d. h. Arbeiten und Aufgaben können sie schlecht delegieren. Ein Management anlernen und führen, statt selber zu machen, wird ihnen immer schwer fallen, und auch ein Loslassen im Sinne eines geregelten Generationsübergangs ist für diesen Typ Unternehmer extrem schwierig.

Die den Gründern nachfolgenden Führungsgenerationen in Familienunternehmen tragen hingegen schon ein Element der angestellten Manager in sich. Ziel und oberstes Interesse ihres Wirkens ist es, das Unternehmen während ihrer Amtsperiode oder Verantwortung gesund, vital, zukunftssicher und gut aufgestellt im Wettbewerb zu erhalten und, wenn möglich, hinsichtlich aller Kriterien voran zu bringen. Für geschäftsführende Gesellschafter eines Familienunternehmens ist das Unternehmen in der Regel nach wie vor der zentrale Punkt im Leben, um den sich sämtliche andere Lebensfaktoren – und seien sie Familie, Kinder, Freunde, Freizeit oder sonstige Interessen – herum platzieren oder im Konfliktfall hintan stehen müssen. Das Familienunternehmen ist omnipräsent. Ganz extrem ist es, wenn auch noch der Ehepartner mitarbeitet. Der Betrieb sitzt dann sozusagen mit am Frühstücks- und am Abendbrottisch und wird behandelt wie ein Kind, dem gegenüber sich die echten, leiblichen Kinder nicht selten zurückgesetzt und vernachlässigt fühlen. Die Kinder in solchen Unternehmerhaushalten wachsen mit diesem Geschwisterkind ‚Unternehmen’ nicht unproblematisch aber zwangsläufig auf.

Der Weg zum verantwortungsvollen Familiengesellschafter
Wer schon als Kind und Jugendlicher unmittelbar und über lange Zeiträume hinweg von den verschiedensten Ecken und Blickwinkeln aus das Unternehmen mit seinen Menschen kennen lernt(2), hat wahrscheinlich kaum Berührungsangst dem Unternehmen gegenüber. Sorgen und Ängste entstehen ja bekanntlich aus den Faktoren Nichtwissen und Nichtkennen.

Und damit ist der erste und wichtigste Schritt vollzogen, zu einem guten Gesellschafter zu werden – nämlich durch Wissen und Kenntnisse. Und wenn dies nicht quasi automatisch durch die Lebensumstände erfolgt, dann sollten sich die (zukünftigen) Gesellschafter bewusst bemühen, ihr Wissen zu ergänzen, zu erweitern oder es überhaupt erst zu erwerben. Dies gilt hinsichtlich allgemeiner theoretischer Kenntnisse über das Wirtschaftsleben, die Unternehmen, Märkte, betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Fragen, vor allem aber auch hinsichtlich konkreter und detaillierter Kenntnisse über das spezifische Familienunternehmen. Hier ist natürlich in erster Linie das Unternehmen und da vor allem das Management aufgerufen und aufgefordert, Möglichkeiten zu eröffnen und anzubieten. Die Gesellschafter und ihre Kinder oder potentielle Erben sollten also zu Messen, Hausausstellungen, Produktvorführungen, Firmen- und Kundenveranstaltungen, Betriebsrundgängen, Lehrgängen, Praktika, Vorträgen, Schulungen, Betriebsfesten und Ausflügen eingeladen werden, kurzum zu all den Aktivitäten, die Gesellschafter im Allgemeinen oder Einzelne im Besonderen interessieren könnten.

Die Zeiten sind vorbei – wenn es sie überhaupt je gegeben hat – in denen eine Geschäftsführung die Gesellschafter im Dunklen oder lieber im Unwissenden halten wollte, vielleicht mit dem Hintergedanken, dass gut informierte Gesellschafter mit spezifischen Kenntnissen ggf. anstrengender sind, lästige Fragen stellen oder vielleicht sogar in der Lage sind, die Arbeit und Leistung des Managements nachvollziehen und kritisch beurteilen zu können. Von unmündigen, weil unwissenden Gesellschaftern hat ein Unternehmen letztlich jedoch genauso wenig wie von unwissenden, weil schlecht informierten Mitarbeitern. Gerade in dem entscheidenden Moment, in dem ein solcher Mitarbeiter/ Gesellschafter einmal schnell und alleine entscheiden muss, wird er genau das Falsche tun, weil er die Zusammenhänge nicht richtig erkennen konnte.

Dass der Transfer von Informationen, das Erwerben von Kenntnissen und Wissen glückt, setzt auf Seiten des Gesellschafters ein gewisses Interesse und die Bereitschaft voraus, Zeit zu investieren. Denn diese beiden Faktoren sind die eigentlichen Hauptwünsche und Forderungen an nicht im Unternehmen mitarbeitende Miteigentümer. Ohne ein gewisses echtes Interesse und die Bereitschaft, sich etwas Zeit zu nehmen, um diesem Interesse nachkommen zu können, geht es nicht. Gespieltes oder geheucheltes Interesse kommt dabei schlechter an als ehrliches und vielleicht sogar plausibel begründetes Desinteresse. Der vertretende Anwalt, der immer wieder betont, wie groß das Interesse des im Ausland lebenden Mitgesellschafters sei, den aber seit über 10 Jahren keiner mehr gesehen hat, erntet nur noch ein allseitig müdes Lächeln. Derjenige Mitgesellschafter, der kein echtes Interesse hat oder aufbringen mag (die dafür benötigte Zeit findet sich gleichsam von selbst, denn echtes Interesse setzt hohe Priorität, während die Erklärung, keine Zeit zu haben, immer auf niedere Priorität und damit Desinteresse schließen lässt), sollte sich ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigen, als Mitgesellschafter im Familienunternehmen auszuscheiden, um damit dem verbleibenden, interessierten Familiengesellschafterkreis ein Stück Kraft und Vitalität zurück zu geben.

Interesse kann man (ähnlich wie Motivation) nicht erzwingen. Man kann allenfalls von Seiten des Unternehmens Gelegenheiten dazu bieten, es vielleicht verstärken oder wecken. Einem Mitarbeiter kann man eine andere, geeignetere Aufgabe zuweisen, aber einem Gesellschafter kann das Unternehmen nicht Interesse für seine Rolle und Funktion aufnötigen. Das Mindeste, was man von einem verantwortungsbewussten Gesellschafter m. E. erwarten darf, der nicht das notwendige Interesse für sein Familienunternehmen aufbringen kann und will, ist, seine Anteile an andere stärker interessierte Gesellschafter abzugeben oder wenigstens einen interessierteren Mitgesellschafter zu bevollmächtigen, seine Interessen mit zu vertreten.

Eher tragisch (wenn auch sehr selten) sind die Fälle, in denen Gesellschafter echtes und ehrliches Interesse für ihr Familienunternehmen haben, aber ihre Kenntnisse oder ihr Beurteilungsvermögen so unzureichend sind, dass vernünftige Entscheidungen von ihnen nicht mitgetragen werden können. Denn in der Regel lassen sich auch sehr komplexe Fragen und Entscheidungen so aufbereiten, dass Mitgesellschafter sachdienliche und verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen können.

Eigenschaften guter Gesellschafter
Nur wenn Interesse vorhanden ist, kommt man zu dem, was einen guten Miteigentümer oder Gesellschafter eines Familienunternehmens ausmacht: Engagement, Nähe und Solidarität zum Unternehmen.

Aus Kenntnissen, Wissen, Interesse und Zeit wird sich fast zwangsläufig eine gewisse Nähe zum Unternehmen ergeben und zwar eine Nähe zu den Menschen im Unternehmen aber auch zum Umfeld der Branche, zum Produkt, zur Technik, zur Technologie, zu den Problemen, zur Historie und Tradition, zum Management, zur Kultur und zu den Werten etc. Mit der Nähe wird sich dann aber auch Wirkung und Einfluss einstellen. D. h. der Gesellschafter ist nicht mehr nur kapitalgebender, aber machtloser und gegebenenfalls lästiger, da unvermeidlicher Zierrat, sondern er wird auf das Unternehmen, seine Repräsentanten und Mitarbeiter wirken und einwirken – und das nicht limitiert durch seine Anteilsgrößenordnung, sondern durch das, was er dem Unternehmen geben kann und einbringen will, durch sein Engagement.

Das Zulassen und Suchen von Nähe, auch nach persönlicher und menschlicher Nähe, ist das, was ein Familienunternehmen am stärksten von börsennotierten Kapitalgesellschaften unterscheidet, und zwar im Innenverhältnis im Unternehmen zwischen Chefs und Mitarbeitern, aber auch im Verhältnis der Gesellschafter zum Unternehmen. Die sogenannten Profis – und seien sie renommierte Berater, professionelle Aufsichtsräte, Finanzinvestoren, Fondmanager o. ä. – suchen und wollen diese Nähe nicht, denn diese Nähe würde ja bei harten Entscheidungen die kühle Ratio möglicherweise beeinträchtigen. Ein auf fünf Jahre angestellter Vorstand einer anonymen Großgesellschaft kennt seine Mitarbeiter meist persönlich nicht näher, geschweige denn ihre Vergangenheit oder Familienverhältnisse. Ein Hedgefond-Manager oder Konkursverwalter interessiert sich bestenfalls für das Management – und das sehr oberflächlich, weil seine Aufgabe nach einigen Monaten erledigt sein wird. Die große Nähe – natürlich auch begünstigt durch die in der Regel viel geringere Größe von Familienunternehmen – ist das Hauptunterscheidungskriterium eines familiengetragenen Unternehmens und bezieht auch die Gesellschafterebene mit ein.

Neben der Nähe hat ein guter Familiengesellschafter auch so etwas wie Respekt und Dankbarkeit dem Unternehmen oder allen Menschen gegenüber, die darin jetzt und in der Vergangenheit tätig waren. Denn er ist sich bewusst, dass nicht wenige Unternehmerfamilien und ihre Angehörigen einen Großteil ihrer materiellen Unabhängigkeit, ihres Wohlstands, ja ihrer Reichtümer den Ideen, dem Fleiß und dem Geschick der Unternehmensführer und aller Mitarbeiter in der Vergangenheit und Gegenwart verdanken. Durch die über 60 Jahre Frieden in Deutschland und Mitteleuropa ist es möglich, dass man fast sein gesamtes Privatvermögen bereits von den Eltern geerbt hat und dass diese auch schon ihre materielle Existenz auf ein damals bereits bestehendes Familienunternehmen gründeten. Ein von Mitmenschen und Mitarbeitern akzeptierter und gewürdigter Gesellschafter behält dies mit einer gewissen Demut im Hinterkopf.

Darüber hinaus ist Glaubwürdigkeit eine wesentliche Eigenschaft eines verantwortungsvollen und guten Gesellschafters. Wer viel mit Menschen zu tun hat, wird aufgrund seiner Lebenserfahrung die Menschen intuitiv oder bewusst nach ihrem Tun beurteilen. „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen“, heißt es, und nicht an dem, was sie sagen oder gar vorschützen. Übereinstimmung zwischen Denken und Reden einerseits und Reden und Tun andererseits ist das, was man als Glaubwürdigkeit bezeichnet.

Die Glaubwürdigkeit eines Familiengesellschafters ist dann sehr hoch, wenn die von ihm vertretenen und gelebten Werte mit der Kultur und den Maximen im Unternehmen übereinstimmen. Es wird allerdings selten der Fall sein, dass alle Werte und erst recht die positiven gleich stark und gleichrangig in einem größeren Familiengesellschafterkreis vertreten sind. Da aber der Wertekatalog eines Unternehmens kurz und exemplarisch sein und sich aufs Wesentliche beschränken muss, ist er in der Regel relativ unspezifisch. Trotzdem ist Vorsicht geboten beziehungsweise vor leichtfertigen Lippenbekenntnissen zu warnen. Wenn beispielsweise Ehrlichkeit oder Qualität als Werte gelten, so wird diese jeder bejahen oder für gut und richtig befinden. Wer möchte denn schon Werte wie Unehrlichkeit propagieren oder in der Arbeit Pfusch anstreben? Dabei ist aber die Frage, wie man es persönlich hält oder ob diese Werte auch individuell gelebt und vertreten werden, die Gretchenfrage. Der Manager, der immer von Qualität spricht, aber im Terminkalender nie Zeit für entsprechende Maßnahmen hat oder mit Durchschnittlichem durchaus zufrieden ist, kann vielleicht eine turn-around-Situation meistern oder eine Restrukturierung durchziehen. Ob er allerdings 20 Jahre lang der anerkannte und angesehene Chef sein wird, sei dahingestellt. Die Vorbildlichkeit im Tun ist nicht nur die beste Erziehungs- und Führungsmethode, sondern zwingt letztendlich auch zur Selbstdisziplin.

Außerdem ist zu bedenken, dass sich nicht nur geschäftsführende Gesellschafter sondern durchaus auch inaktive Gesellschafter zumindest für die Mitarbeiter in einer exponierten Stellung befinden, die nicht frei von Anforderungen und Erwartungen ist. Zu dem kommt in Familienunternehmen (gerade wenn sie alt und traditionsbehaftet sind) so etwas wie ein dynastisches Element, das nicht unterschätzt werden sollte. Denn der Eigentümerfamilie eines Unternehmens wird oft eine Art royalistische Affektion entgegengebracht(3). Das gemeinsame Blut innerhalb einer noch so großen und verzweigten Familie dient der Integration und Identifikation der Mitarbeiter. Es dient dem Wir-Gefühl, einem Gefühl der Zugehörigkeit, was psychologisch kein unwesentliches Element ist. Dies muss von jedem Familiengesellschafter gesehen, akzeptiert und gestärkt werden – letztlich wieder durch Interesse und Teilnahme.

Auch bei der Führungsrolle eines Geschäftsführers sind das Interesse, die Zeit und die Aufmerksamkeit ganz wesentliche Führungsinstrumente. „Die Augen des Herrn machen das Vieh satt“ ist nicht der schlechteste oder erfolgloseste Führungsstil. Jeder Mitarbeiter wird in seinem Spezialgebiet immer fachlich besser als sein Chef sein und deswegen vielleicht auch die qualifizierteren Entscheidungen treffen. Aber der Chef muss trotzdem da sein und echtes Interesse für Aufgaben, Fragen und Probleme des Mitarbeiters aufbringen. Insofern ist Führung immer Dienen. In geringerem Maße gilt dies genauso für den nicht-aktiven Gesellschafter.

Dieses Gemeinschaftsgefühl, das jedes gut funktionierende Unternehmen und nicht nur Familienunternehmen entwickelt, ist kein unwesentlicher Bestandteil der Selbstbehauptung im Wettbewerb und Markt. Der Stolz auf die gemeinsame Gruppe und die Produkte, das Abgrenzen zu anderen Unternehmungen oder Unternehmensteilen ist wichtig, und der Einzelne kann sich dem kaum entziehen. Der Gesellschafter kann und soll in diesem Sinne auch durchaus stolz sein. Stolz darauf, am Erhalt und der Sicherung des Überlebens und der Existenz eines manchmal bereits sehr alten und traditionsvollen Unternehmens mitzuwirken – allerdings nur so lange dieser Stolz nicht das Einzige ist oder in Arroganz oder Borniertheit umschlägt.

Ein guter und verantwortungsbewusster Gesellschafter eines Familienunternehmens wird also durch Interesse seine Kenntnisse und sein Wissen erweitern, sich über die Zeit verstärkt mit dem Unternehmen, seiner Welt und seinem Umfeld beschäftigen und damit durch seine Nähe und sein Engagement das Erbe seiner Väter verstärken. Nicht jeder kann (und ich füge hinzu soll) im Unternehmen mitarbeiten, denn es gibt keine gefährlichere Konstellation als mehrere Familiengesellschafter als Geschäftsführer im Unternehmen nebeneinander.

Die Aufgaben der (verantwortungsvollen) Gesellschafter
Langfristig am Unternehmen interessierte und an das Unternehmen gebundene, glaubwürdige, stolze aber ebenfalls demütige Gesellschafter zu haben, ist für das Unternehmen ausgesprochen wichtig, denn der Gesellschafterkreis übt starken und entscheidenden Einfluss aus, indem er nicht zuletzt die operative Unternehmensführung bestimmt und die verfügbaren Geldmittel durch die Ausschüttungspolitik festlegt.

Neben diesen Hauptaufgaben gibt es noch weitere, die alles andere als nebensächlich sind und insbesondere die Nähe, das Engagement und das Interesse einerseits zeigen und andererseits befördern, indem sie wieder zurück wirken. Nichtaktive Gesellschafter müssen sich der Erhaltung einer funktionierenden Großfamilie widmen, denn auch dies geht nicht ohne Engagement und persönlichen Einsatz. Außerdem sind Aktivitäten im Umfeld des Unternehmens dienlich, die die Nähe und Verbundenheit zum Unternehmen zum Ausdruck bringen, den Mitarbeitern gegenüber Interesse und Präsenz beweisen und natürlich auch die Möglichkeit eröffnen, persönliche Fähigkeiten und individuelle Stärken dem Unternehmen zuteilwerden zu lassen. Selbst ein Gesellschafter mit einem wirtschaftsfernen Lebenskreis kann sich im Unternehmen einbringen. Ein Arzt oder Theologe kann beispielsweise kostenlose Sprechstunden oder Lebenshilfe für Mitarbeiter anbieten, ein Künstler kann seine Werke dem Unternehmen stiften oder leihen, man kann in den Sozialeinrichtungen des Unternehmens für Kinder oder Familienangehörige praktisch wirken und damit die Geschäftsführung oder leitende Mitarbeiter entlasten. Gesellschafter können Verbandsfunktionen und/oder Repräsentationen der Firma nach außen gegenüber Behörden, der Öffentlichkeit punktuell oder generell übernehmen – eine Aufgabenstellung, die vielen Vollblutunternehmern wenig liegt. Man kann sich im Spendenwesen engagieren oder in der Zusammenarbeit in den Gemeinden, in denen das Unternehmen tätig ist usw.
Auch hier gilt: ‚Es gibt nichts Gutes, außer man tut es’. Oder im Sinne John F. Kennedys: „Frage nicht, was das Unternehmen für dich tun kann, sondern frage, was du für das Unternehmen tun kannst“.

Fazit: Was wird von guten und verantwortungsvollen Gesellschaftern erwartet?
Heute wird in diesem Zusammenhang häufig von ‚Professional Ownership’ gesprochen. Allerdings impliziert dieser Begriff den ‚berufsmäßigen Eigentümer’ und dies ist wohl eher ein Finanzinvestor als ein passiver Gesellschafter in einem Familienunternehmen. Versucht man es indessen einmal nicht mit den heute so beliebten Anglizismen, so weiß die deutsche Sprache in diesem Falle viel mehr, denn sie bezeichnet das Eigentum an Unternehmen als Anteile. Und in diesem Sinne sollte auch jeder, der Anteile an einem Familienunternehmen hält, Anteil an diesem Familienunternehmen nehmen.

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(1) Um der besseren Lesbarkeit Willen ist hier wie im Folgenden häufig die männliche Form gewählt. Sie schließt immer auch die weibliche mit ein.
(2) Ich selbst, wie auch meine Kinder, durften beispielsweise am Wochenende mit dem Vater ins Büro, Briefe schlitzen und abstempeln, Büromaterial sortieren und verpacken, Autofahren auf dem Betriebsgelände üben, Firmenrundgänge machen, bei Unternehmensfeiern mit dabei sein, bei häuslichen Einladungen Mitarbeiter und Geschäftsfreunde kennen lernen, auf Messen herumtollen und Maschinen ausprobieren, Praktika in der Reparaturwerkstatt absolvieren, bei den Lehrlingen während der Sommerferien ein bisschen mitarbeiten, feilen und schweißen, in der Registratur oder Montage ein paar Mark zum Taschengeld hinzuverdienen, Praktika bei ausländischen Tochtergesellschaften absolvieren usw.
(3) Der König und die königliche Familie sind nicht zuletzt wegen ihrer qua Geburt zugewiesenen Rolle unangreifbar und stehen über den Niederungen der Politik oder des Alltags. Selbst in alten und gefestigten Republiken sehnt sich offen oder unterschwellig ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung nach einem König, der, selbst wenn er unfähig ist, noch zur Galions- oder Vereinigungsfigur taugen kann.

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Gesellschafterkompetenz
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