Ordenswerke und Familienunternehmen.
Erkenntnisse aus einer vergleichenden Betrachtung der Unterschiede und Parallelen
Ein Impulsvortrag und ein Einführungsvortrag von Dr. Rena Haftlmeier-Seiffert auf der Wirtschaftstagung der Ordensgemeinschaften Österreichs in Salzburg am 27. und 28. Mai 2019 unter dem Motto: Ordenswerke ohne Orden?


Ordenswerke und Familienunternehmen – ein Vergleich
Viele Ordensgemeinschaften gründeten einstmals wichtige soziale Einrichtungen. Insbesondere Krankenhäuser, Altenpflegeheime und Schulen haben sie über lange Jahrzehnte geleitet und betrieben. Sie haben dabei den Spagat zwischen dem nötigen wirtschaftlichen Erfolg und christlichem und mildtätigem Auftrag mehr oder weniger gut gemeistert. Dies war sicherlich zu jeder Zeit eine große Herausforderung.
Mittlerweile hat sich die Situation allerdings massiv verändert. Unser Sozialstaat betreibt Schulen, Krankenhäuser, Seniorenheime etc. hochprofessionell. Die Ordensgemeinschaften mögen zwar manchen Aspekt anders betont haben, jedoch ist ihre früher so dringliche Aufgabe damit im Grunde obsolet.
Darüber hinaus haben die Ordensgemeinschaften bei uns heute extreme Nachwuchsprobleme, denn es schließen sich so gut wie keine jungen Leute mehr einem Orden an. Wenn sie soziale und sinnhafte Aufgaben übernehmen wollen, dann treten junge Menschen modernen Organisationen bei. Beispielsweise Ärzte ohne Grenzen oder Greenpeace erhalten großen Zuspruch und genießen gesellschaftlich ein viel höheres Ansehen.
Mittlerweile beträgt das Durchschnittsalter der Ordensgemeinschaften 82 Jahre, weshalb es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis es keine keine Ordenswerke mehr geben wird.
Familienunternehmen stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Diese sind zwar längst nicht so gravierend und wohl auch nicht für die Gesamtheit der Familienunternehmen existenzbedrohend, jedoch sind sie auf einer abstrakteren Ebene doch vergleichbar.
Auch in Familienunternehmen prallen Systeme mit verschiedenen und sogar unvereinbaren Logiken und Prinzipien aufeinander. Denn eine Familie funktioniert dann gut, wenn dort Liebe, Toleranz, Nach- und Freigiebigkeit, Rücksicht und Geborgenheit auch für schwächere Mitglieder herrscht. Dazu ist Familie da. Ein Unternehmen funktioniert aber nur dann gut, wenn dort Wettbewerbsdenken, Ehrgeiz, Risikobereitschaft, Zielstrebigkeit und Bevorzugung des Stärkeren gelten. In diesem Zusammenhang wird von Systemdilemma oder Systemparadoxie gesprochen. Diese gelten als eine der großen Herausforderungen für Unternehmerfamilien.
Viele Familienunternehmen stehen darüber hinaus im Zeitalter der digitalen Revolution vor der Aufgabe, ihr Geschäftsmodell grundlegend neu denken zu müssen. Denn viele Produkte, Organisationsabläufe, exklusives Wissen, Dienstleistungen etc., die Familienunternehmen bisher bereit stellten, erübrigen sich in einer digitalen Welt.
Auch Nachwuchssorgen kennen Familienunternehmen und Unternehmerfamilien. Zum einen gibt es rein demographisch immer weniger junge Leute. Zum anderen sind deren Optionen in einer bestens ausgebildeten Generation mit globalen Erfahrungen schon seit früher Kindheit an so vielfältig, dass der Eintritt ins Familienunternehmen nur unter bestimmten Bedingungen überhaupt in Erwägung gezogen wird.
Auch das Selbstverständnis von Familie verändert sich in letzter Zeit gravierend. Wenn es aber keine klassischen Familien mehr gibt, fehlt den Familienunternehmen ihre Basis.
Auch deshalb wird das Familienunternehmen immer wieder als Auslaufmodell ausgerufen.
Zwar lassen sich also auf abstrakter Ebene mehrere Parallelen zwischen den Herausforderungen von Ordenswerken und Familienunternehmen finden, doch gibt es für viele Familienunternehmen die Möglichkeit, diesen proaktiv zu begegnen. Einige dieser Wege sind aber den Ordensgemeinschaften verwehrt.
So zeigen neuer Forschungen beispielsweise, dass in Familienunternehmen heutzutage häufiger Frauen und hier insbesondere auch Mütter die Unternehmensführung des eigenen Familienunternehmens übernehmen. Sie haben nämlich als Eigentümerin des Unternehmens die Möglichkeit, die Rolle der Mutter mit einer verantwortungsvollen Rolle im Unternehmen zu vereinbaren. Eine Karriere in einem börsennotierten Unternehmen schließt hingegen in der Regel die Mutterrolle aus.
Auch können wir feststellen, dass Unternehmerfamilien viel Augenmerk darauf verwenden, die eigenen Kinder schon früh unternehmerisch zu erziehen und sie entsprechend zu sozialisieren. So wollen und können sie die Nachfolge und damit den Fortbestand des Familienunternehmens sichern.
Ordenswerke und Familienunternehmen haben vieles gemein und sind doch anders.