Zukunftssicherung von Familienunternehmen

Auch wenn es Unternehmensgründer/innen gibt, die ihr Unternehmen nach erfolgreichen Jahren verkaufen und dann ihr Geldvermögen unter ihren Nachkommen aufteilen oder in eine Stiftung einbringen, so reift in vielen erfolgreichen Unternehmern/innen meist doch der transgenerationale Gedanke und daher der Wunsch, ihr Lebenswerk zu verstetigen, indem sie es an die nächste Generation übertragen. Diese soll es weiterführen, vermehren, stabilisieren, um es dann zu gegebener Zeit wiederum an die nächste Generation weiterzugeben.
So entstehen Familienunternehmen.
Die Erfahrung scheint aber zu bestätigen:
der Erste erstellt es,
der Zweite erhält es,
dem Dritten zerfällt es.
Meist wird der bekannte Spruch dahingehend interpretiert, dass die dritte Generation zu satt, zu unfähig, zu wenig leistungsbereit sei, weshalb sie das W erk der Vorgängergenerationen zerstört. Das ist jedoch zu einfach. Die Gründe liegen wesentlich tiefer und versteckter.
Die Zukunftssicherung eines Familienunternehmens hängt selbstredend vom Willen zu Nachhaltigkeit, Stabilität und vom Erwirtschaften solider Gewinne ab. Mindestens genauso wichtig ist aber auch eine gute und richtig strukturierte Übertragung des Unternehmens in die nächste Generation. Das ist offensichtlich. Nicht so offenkundig ist, dass man dabei nicht nur die aktuelle Übertragungssituation zu betrachten hat, die ganz besonderen Bedingungen, Voraussetzungen und individuellen Fähigkeiten der derzeitigen Vorgänger- und Nachfolgegeneration, sondern bedenken sollte, dass damit Muster gebildet werden, die möglicherweise in der übernächsten Generation mit anderen Protagonisten mit differierenden Eigenschaften und Kompetenzen nicht mehr greifen oder sogar regelrecht destabilisierend wirken können. Bei genauerer Analyse ist nämlich zu erkennen, dass bei der Übertragung eines Unternehmens von der Gründergeneration auf die zweite Generation oft Muster fixiert werden, die beim Transfer in die dritte oder folgende Generation solch destruktiven Charakter entwickeln, dass es der Folgegeneration (trotz Anstrengung) kaum möglich ist, das ererbte Unternehmen zu erhalten.

Analyse:
Hans hat mit seiner Übertragung das Gerechtigkeitsdilemma nicht gelöst (wie er eigentlich meinte), sondern lediglich an die nächste Generation delegiert. Daraus können große Konflikte entstehen, denn Gerechtigkeit in Unternehmerfamilien nicht nur ein schier unlösbares Dilemma, sondern es wurde zudem die Gleichbehandlung (beide Söhne wurden Geschäftsführer) als Muster vorgelebt, während jetzt Ungleichbehandlung erzwungen ist (ein Enkel muss ausgewählt werden).
Die Komplexitätsreduktion auf nur zwei Stämme war von Hans gedacht, um durch Vereinfachung eine bessere Überschaubarkeit und Handhabbarkeit zu gewährleisten und damit Konflikte aufgrund von Komplexität und Unüberschaubarkeit zu verhindern. Es zeigt sich aber, dass man mit fixierten Stämmen das Konfliktrisiko häufig sogar erhöht, denn durch Stämmestrukturen etabliert sich ein Denken in Oppositionen (Wir gegen Die). Grabenkämpfe werden erzeugt und Solidarität mit dem eigenen Stamm und nicht mit der Gesamtheit befördert.
Hans hat nicht bedacht, dass er bei der Musteretablierung zu personenorientiert an die individuellen Charakterzüge seiner beiden Söhne dachte, die in kaum in einer Folgegeneration reproduzierbar sind. Bei den sich komplementär ergänzenden Brüdern wird die Ausstattung mit der gleichen Macht (Geschäftsführerposition + 50% Anteile) als fair, gerecht und sehr förderlich empfunden. Dieselbe Struktur zeigt bei den miteinander konkurrierenden und sich gegenseitig ablehnenden Enkeln der dritten Generation allerdings extrem destruktiven Charakter; hier führt die Machtgleichheit zu Pattsituationen, die letztendlich dann das Unternehmen in Entscheidungsunfähigkeit und damit in den Ruin treiben.

Analyse:
Franz befand sich (wie eigentlich jeder Unternehmer) in dem Dilemma, einerseits eine machtvolle Unternehmensführung installieren und andererseits Familiengerechtigkeit walten lassen zu wollen (→ Gerechtigkeit). Er löste dieses durch die Trennung von Besitz- und Stimmrecht.
Was in der 2. Generation durchaus schlüssig ist und als gerecht und richtig empfunden wurde, entwickelt sich allerdings in den Folgegenerationen in das Gegenteil. Die Firma kann jetzt unter diesen strukturellen Bedingungen nicht mehr machtvoll geführt werden, sondern wird durch diverse und differierende (Eigen-)Interessen von Steuerberatern, Anwälten und des Fremdgeschäftsführers (die durchaus mit gutem Willen agieren) geschwächt. Auch die Familiengerechtigkeit ist nicht mehr gegeben, weil es Nachkommen mit sehr unterschiedlichen Besitz- und Stimmrechten gibt, die nicht miteinander korrelieren. Das von Franz Unbill ursprünglich verfolgte Ziel hat sich genau in sein Gegenteil verkehrt.
Fazit:
Um die Zukunftssicherung von Familienunternehmen auch auf längere Sicht zu gewährleisten, sollte bei der Übertragung des Unternehmens in die nächste Generation nicht personienorientiert gehandelt , sondern Muster gebildet werden, die personenunabhängig gültig sind und einen Zeithorizont mindestens bis zu den Enkeln berücksichtigen. Dazu eignen sich nur Regelungen, die so flexibel gestaltet sind, dass sie auch zu (unvorhersehbaren) veränderten Situationen und Personen passen. Der Schlüssel zu einer nachhaltigen Regelung liegt in der Fähigkeit, nicht personenorientiert und fallbezogen zu denken und zu handeln, sondern allgemeingültig.
Weiterführende Erläuterungen:
→ Nachfolge
→ Erbfolgeregelungen
→ Gesellschafterstrukturen
Weiterführende Literatur:
Calabrò, Andrea/ Torchia, Mariateresa/ Pukall, Thilo/ Mussolin, Donata, The influence of ownership structure and board strategic involvement on international sales. The moderating effect of family involvement, in: International Business Review 22-3/2013, S. 509-523Groth, Torsten/ Simon, Fritz B., 100 Jahre und älter: Die Leistung und Entwicklungsschritte von Mehrgenerationen-Familienunternehmen, in: Plate, Markus et al., Große deutsche Familienunternehmen. Generationenfolge, Familienstrategie und Unternehmensentwicklung, Verlag: Vadenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525403389, S. 18-42
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