Abfindung für ausscheidende Gesellschafter

Abfindung für ausscheidende Gesellschafter


Familienunternehmen leben geradezu von der Idee, dass ihre (Mit-) Eigentümer aus der Familie verlässliche Kapitalgeber sind. Denn diese stehen auch in Krisenzeiten zum Unternehmen und garantieren mit ihrem Kapital die Stabilität und den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens. Die Vorstellung von einer verlässlichen und nicht wankelmütig von globalen Stimmungen abhängigen Finanzierung (→ Unternehmensfinanzierung) macht die Familienunternehmen so stark.

Für viele Familienunternehmen stellt deshalb das Ausscheiden von (Familien-) Gesellschaftern ein Tabuthema dar. Deshalb wird auch ungern über die Abfindung für ausscheidende Gesellschafter nachgedacht.

Trotzdem ist in bestimmten Fällen (z. B. bei tiefen Zerwürfnissen, völlig anderen Wertvorstellungen und Geisteshaltungen [→ Werteprägungen]) manchmal eine Trennung besser. Zumal dauerhafte tiefe Gräben zwischen den Eigentümern dem Unternehmen in der Regel nicht dienlich sind: unternehmerische Entscheidungen werden blockiert, gerichtliche Auseinandersetzungen kosten nicht nur Geld, sondern auch Energie etc.

Deshalb sollten gute und faire (nicht unbedingt attraktive) Klauseln für die Abfindung für ausscheidende Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag verankert sein. Die Angst, damit den (Mit-) Gesellschaftern das Ausscheiden zu leicht zu ermöglichen, ist müßig. Ein Gesellschafter, der ausscheiden will, wird Mittel und Wege finden, dies zu tun. Wenn ihm große Hindernisse im Weg liegen, wird sein Ausscheiden nur für alle Seiten teurer – sowohl im materiellen wie im emotionalen Sinne.

 
Faire Abfindungsregelungen

Da Familienunternehmen und Unternehmerfamilien so unterschiedlich sind, gibt es keine Regelungen, die für alle gelten können. Es gibt aber grundsätzliche Eckpunkte, die beachtet werden sollten, um eine individuell richtige Regelung zu finden:
Prinzipiell:
Die Regelungen sollten möglichst einfach und für alle verständlich sein. Denn nur dann kann sich bei den Betroffenen das Gefühl der Fairness einstellen. Wenn sie zu kompliziert und zu betriebswirtschaftlich und rechtlich ausgeklügelt und nur noch von Spezialfachkräften wirklich zu verstehen sind, dann werden die Regelungen schnell als unfair, bewusst-verschleiernd und Geheimisse-verbergend empfunden. Außerdem sollten sie das Unternehmen genauso im Blick haben wie den/die ausscheidende/n und den/die verbleibenden Gesellschafter/innen.
Bestimmung eines fairen Abfindungsbetrags:
Grundlage für die Berechnung kann und sollte natürlich der Wert des Unternehmens sein, den der/die Ausscheidende dann anteilig ausbezahlt bekommt. Doch was ist die richtige Berechnungsbasis?
Substanzwert als Basis:
Einerseits könnte man den in der Bilanz ausgewiesenen Buchwert heranziehen, was den Vorteil der Eindeutigkeit und der Nachweisbarkeit hat. Andererseits liegt der Buchwert häufig weit unter dem eigentlichen Wert eines Unternehmens, weshalb man denVerkehrswert zugrunde legen müsste, was den Vorteil hat, den tatsächlichen Wert (der natürlich erst einmal ermittelt werden muss) als Basis der Berechnung zu nehmen.

Ertragswert als Basis:
Hat man früher häufig einfach einen Quotienten aus den Gewinnen der letzten Jahre dazu herangezogen, den Ertragswert zu errechnen, so ist klar, dass damit gerade in Zeiten eines aktuellen wirtschaftlichen Einbruchs nach vielen fetten Jahren ein zu hoher Betrag ermittelt wird (und umgekehrt). So scheint es besser, die zu erwartenden Gewinne als Grundlage für die Berechnung des Ertragswertes zugrunde zu legen. Doch wer kann schon die Zukunft exakt und verlässlich voraussagen, gerade auch über mehrere Jahre hinweg? (→ Ertragswert, insbesondere Fallbeispiel zu Vergangenheitsbetrachtung versus Zukunftsprognose).
Deshalb sollte sowohl der Substanzwert (mit Buchwert und Verkehrswert) als auch der Ertragswert (mit Vergangenheits- und Zukunftsbetrachtung) als Grundlage für die Berechnung des Werts eines Unternehmens dienen (→ KMUrechner).
Berücksichtigung der anfallenden Steuern:
Bei der Berechnung der Abfindung ist zu berücksichtigen, dass verschiedene Steuern anfallen können und dafür auch Liquidität bereit zu halten ist.
Den meisten Empfängern von Abfindungen wird klar sein, dass sie auf den Abfindungsbetrag (Einkommens-) Steuern zu entrichten haben. (Der Einfachheit halber werden die unterschiedlichen Besteuerungen aufgrund der Rechtsformen der Unternehmen hier ignoriert). Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Steuern auch dann in voller Höhe fällig werden, wenn die Abfindung in Raten über einen längeren Zeitraum hinweg ausbezahlt wird.
Übersehen wird hingegen manchmal zunächst, dass bei den verbleibenden Gesellschaftern auch Schenkungssteuern anfallen können. Dieser Fall tritt dann ein, wenn die Ausscheidenden eine vergleichsweise geringe Abfindung erhalten und eine Differenz zwischen Auszahlungssumme und tatsächlichem Wert des Unternehmensanteils des Ausscheidenden besteht. Diese Differenz erhalten indirekt die verbleibenden Gesellschafter und müssen dafür Schenkungssteuer entrichten.


Zwar sollten die Steuerzahlungen nicht ausschlaggebend für die Berechnung der Abfindung sein, müssen aber durchaus berücksichtigt werden, damit weder das Unternehmen noch ein Gesellschafter dadurch in Liquiditätsschwierigkeiten kommt.
Berücksichtigung der Liquidität:
Auswirkungen auf das Unternehmen: Abfindungen von ausscheidenden Gesellschaftern bedeuten einen Liquiditätsabfluss. Nicht selten werden deshalb Ratenzahlungen für die Abfindungsauszahlung vereinbart. So wird das Unternehmen vor Liquiditätsengpässen geschützt.

Auswirkungen auf den/die ausscheidenden Gesellschafter/in: Für den/die Abfindungsempfänger/in wird die (Einkommens-) Steuer auf einmal in voller Höhe fällig. Wird die Abfindung aber in Raten ausgezahlt, kann es bei dem/der ausscheidenden Gesellschafter/in dadurch zu Liquiditätsengpässen kommen.

Eine faire Regelung für die Abfindung für ausscheidende Gesellschafter zu finden, ist also nicht trivial und sollte zumindest diese Eckpunkte berücksichtigen. Allerdings sollte trotzdem keine zu komplizierte Vereinbarung getroffen werden, da zu komplexe und daher nicht mehr nachvollziehbare Vorgaben im Gesellschaftsvertrag bei den Gesellschaftern schnell das Gefühl der Hinterlist oder gar des Betrugs hervorrufen können.

Fazit:
Durch hermetische Gesellschafterverträge wird selten ein Ausscheiden verhindert. Viel eher wird dies durch moralische Bindung, durch die Übertragung von Verantwortungsbewusstsein, durch respektvolle Kommunikation und verständliche Information etc., also durch ganz andere Instrumente als durch Gesellschaftsverträge erreicht. Die Abfindungsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen sollten für ausscheidungswillige Gesellschafter zwar nicht unbedingt attraktiv gestaltet sein, aber trotzdem von allen als fair und gerecht empfunden werden können.


Weiterführende Literatur:

Hennerkes, Brun-Hagen/ Kirchdörfer, Rainer, Die Familie und ihr Unternehmen, Verlag: Campus, Frankfurt 2015, ISBN 978-3-593502663, insbes. S. 137 ff.

Braun, Bernd/ Jöckel, Rainer M./ Mahlber, Lothar, GmbH – Ausscheiden und Abfindung. Trennungsoptionen in der GmbH, Verlag: Tectum, Marburg 2009, ISBN 978-3-828821415

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